Radegunde von Thueringen
Hufschläge lauter wurden, waren die Tore verriegelt und die Knechte hielten sich bereit. Einige hatten sich mit Dreschflegeln oder Sensen bewaffnet. Radegunde stand hinter dem Haupttor, der Pförtner hatte ihr ein Fell gebracht, das sie sich um die Schultern gelegt hatte. Trotzdem zitterte sie leicht.
Männer sprangen draußen von den Pferden, Schwerter und Zaumzeug klirrten metallisch, kurze Worte flogen hin und her. Drinnen auf dem Hof herrschte eine angespannte Stille.
„Worauf wartet ihr? Begehrt Einlass!“
Sie zuckte zusammen, als sie Chlothars befehlsgewohnte Stimme erkannte. Er hatte sich tatsächlich selbst auf diese lange Reise begeben!
Eine schwere Hand drosch gegen das Tor. Der Pförtner trat einen Schritt vor, doch sie fasste ihn am Arm. „Lass nur, ich gehe selbst.“
Sie öffnete ein kleines Fenster im Tor. „Was wollt ihr?“
„Der erhabene König Chlothar steht vor Eurer Tür! Öffnet!“ Der Soldat erkannte sie nicht, sein Ton war harsch.
„Wir werden den König einlassen, aber nur ihn und ohne seine Waffen! In einem Kloster haben Schwerter nichts zu suchen!“
Draußen wurde leise geredet. Dann stürmte Chlothar selbst zum Tor. „Was soll das? Öffnet gefälligst …!“ Er starrte die Nonne an, deren schmales Gesicht von dem kleinen Fenster eingerahmt wurde. „Radegunde?“
„Ja, willkommen in Saix! Wenn du dein Schwert ablegst, darfst du eintreten!“ Sie wunderte sich selbst über ihre Gelassenheit.
Fluchend nestelte Chlothar an seinem Schwertgürtel und wandte sich an den nächstbesten Soldaten. „Hier, halt das. Ich gehe hinein, ihr wartet hier!“
„Aber Herr, …“
„Halt’s Maul und tu, was ich dir sage!“ Etwas klirrte laut, ein Pferd wieherte.
„Ich bin so weit!“
Sie gab dem Pförtner ein Zeichen. Die Knechte murmelten nervös und umklammerten ihre einfachen Waffen fester. Es konnte sich auch um einen Trick handeln.
„Deine Männer sollen zurücktreten!“ Wieder unwilliges Murren, schmatzende Geräusche von Füßen im Schneematsch.
Dann öffnete der Schließer die kleine Schlupfpforte im Tor. Chlothar musste sich ducken, um sie zu passieren. Geschwind schlug sie hinter ihm wieder zu und wurde verriegelt. Der König sah sich um. Sein durchdringender Blick ließ die erhobenen Sensen und Dreschflegel sinken.
„Was willst du?“, fragte sie. Sie musterte sein Gesicht, das merklich gealtert schien.
„Können wir das nicht drin besprechen? Es ist hundekalt!“ Er schüttelte sich nachdrücklich.
„Gut, folge mir!“ Sie wies auf das Gebäude neben dem Hospital, in dem sich ihr Schreibzimmer befand. „Agnes, sorge bitte dafür, dass die Männer draußen etwas Warmes zu trinken bekommen!“ Sie ignorierte die empörte Miene ihrer Freundin, die nicht verstand, warum die feindlichen Truppen auch noch bewirtet werden sollten.
Im Schreibzimmer nahm er seine Fellmütze vom Kopf. Sein langes Haar war grau und schütter geworden. War ihr das früher nicht aufgefallen?
„Radegunde, ich bitte dich inständig, komm mit mir zurück nach Soisson.“ Er begann hektisch auf und ab zu laufen. „Wir können sofort losreiten, in Tours beziehen wir Quartier und verschnaufen, dann schiffen wir uns ein und fahren auf der Loire bis Orléans, das ist bequem für dich …“
„Ich kenne diese Strecke!“ Ihre Stimme war schneidend.
Er blieb stehen.
„Ich werde nicht zu dir zurückkommen, weder jetzt noch irgendwann. Begreif das endlich! Ich bin eine Frau Gottes!“
„Das bist du doch schon immer gewesen! Das stört mich nicht. Doch sieh – du fehlst mir!“ Wieder hatte sie das Gefühl, dies sei nicht der Mann, den sie kenne. Sie schüttelte den Kopf.
Er trat näher, seine Nase berührte fast ihre Stirn. „Wenn ich in einer Stunde nicht wieder draußen bin, werden meine Soldaten das Tor stürmen! Wir werden dich einfach mitnehmen! Wenn dir das lieber ist …“
Das war der alte Chlothar!
Sie hielt seiner körperlichen Nähe stand, um keine Schwäche zu zeigen. „Ich sage dir jetzt etwas, was niemand sonst weiß: Gott ist mir erschienen. Er selbst hat mir gesagt, dass mein Weg der richtige ist. Willst du dich gegen Gott stellen?“
„Nein!“ Es klang erschrocken. Beinahe ehrfürchtig sah er sie an. „Du hast ihn gesehen? Wie sah er aus?“
Sie hob die Schultern. „Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, es war voller Licht und strahlend hell.“
„Woher weißt du dann, dass es Gott war?“ Misstrauen stand in seiner Miene.
„Das wusste ich von Anfang
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