Radegunde von Thueringen
Talglichter auf dem Pult.
„Was soll ich schreiben?“
„Am besten du schreibst sinngemäß den gleichen Brief wie an den Herzog, wir wollen ja von beiden Herren dasselbe: Unterstützung beim Bau des Klosters. Pientus müssen wir zusätzlich um eine Reliquie bitten.“
„Und du?“
„Ich schreibe nach Angers und bitte um die Zusendung von vier Ordensfrauen, die den Grundstock für die Nonnengemeinschaft bilden sollen.“
„Aber wozu? Wir sind doch hier auch ohne diese Vorzeigenonnen zurechtgekommen, warum soll das in Poitiers anders sein?“
„Saix ist eine kleine Gemeinschaft, vieles läuft von selbst. Das neue Kloster wird ein Vielfaches an Nonnen aufnehmen. Das wird nicht einfach, alle unter einen Hut zu bringen. Wir benötigen Frauen mit Erfahrung und handfeste Regeln, nach denen wir unseren Tagesablauf richten!“
„Du denkst an die Regeln des Caesarius, die dir Bischof Germanus empfohlen hat?“
„Ja, ich werde einen Boten ins Kloster Arles senden und Mutter Caesaria um die Regeln ihres Oheims bitten. Sie sind speziell für ein Frauenkloster aufgestellt.“
Agnes strich sich nachdenklich mit der Feder um die Nase. „Du solltest mehr Nonnen aus Saix mitnehmen. Fridovigia zum Beispiel würde sehr gern mit uns gehen. Sie braucht Trost, nachdem ihre Mutter ihren Säugling weggeholt hat.“
„Warum soll ich die funktionierende Gemeinschaft in Saix auseinanderreißen? Denkst du nicht auch, Fridovigia wäre eine gute Äbtissin? Allein deshalb sollte sie wirklich hierbleiben.“
„Hhm. Ich weiß nicht. Mir kam sie ziemlich traurig vor, als sie erfuhr, dass nur wir beide weggehen.“
„Hast du jemals mit ihr über den Vater ihres Kindes gesprochen?“ Radegunde hatte es versucht, war aber nur auf beharrliches Schweigen gestoßen.
„Nein, aber einer der Stallknechte auf Saix stammt aus Chinon. Er behauptet, Fridovigias Vater hätte sich an ihr vergangen.“
„Gütiger Gott, dann verstehe ich, warum sie schweigt!“
Agnes begann zu niesen.
„Du hast dich doch nicht erkältet?“
„Nein!“ Sie nieste erneut. „Es kribbelt in der Nase. Das ist die Feder. Wir sollten uns beeilen, damit wir fertig werden.“
Sie beugte sich über das jungfräuliche Pergament und begann, den Brief an den Herzog abzuschreiben.
„Da ist noch etwas, das ich dir sagen will“, unterbrach sie Radegunde. „Ich möchte, dass du die Äbtissin des neuen Klosters wirst!“
„Ich?“ Agnes fuhr hoch und ein dicker schwarzer Klecks breitete sich auf dem Bogen vor ihr aus. „Verdammt! Ich meine … entschuldige!“ Hektisch tupfte sie mit dem Finger auf dem Fleck herum.
„Ja.“ Radegunde reichte ihr einen kleinen Bausch Schafwolle. „Ich möchte mich ganz dem Dienst an Gott widmen, keine lästigen Verwaltungsaufgaben sollen mich ablenken.“
„Aber ich kann so etwas nicht!“ Agnes’ entrüstetes Gesicht zierte ein dunkler Tintenfleck mitten auf der Nase.
Radegunde musste lachen. „Doch. Du kannst das sehr gut. Und ich weiß, dass du es gern tust. Nicht umsonst hilfst du so oft hier in meiner Schreibstube.“
„Aber das ist doch nur …“
„Das ist genau das, was du als Äbtissin eines Nonnenklosters zu tun hast. Schreibarbeit.“
Eine Weile war es still im Zimmer. Dann stahl sich ein zufriedenes Lächeln auf das tintenverschmierte Gesicht. „Ich glaube, das ist das erste Mal seit Bertafrids Tod, dass ich mich wirklich auf etwas freue.“
„Na siehst du. Und jetzt geh dich waschen.“ Radegunde sah ihr nach und stellte fest, dass auch sie ein glückliches Lächeln nicht unterdrücken konnte.
Poitiers, 557
Mein lieber Amalafrid,
wieder hat mich das unergründliche Schicksal an einen anderen Ort verschlagen, wieder bin ich dir nicht näher gekommen, doch ist dies nur Geschwätz, seit unsere Herzen sich weiter voneinander entfernten, als es Straßen auf dieser Erde gibt.
Gemeinsam mit Agnes richte ich ein Nonnenkloster in Poitiers ein, das Leben im Schoße Gottes ist nach meinem Geschmack. Vielleicht gelingt es mir, in diesem neuen Haus endlich meinen ersehnten Frieden zu finden. Sie sind das Einzige, wonach ich mich noch sehne: der Frieden, der sich sanft auf meine Seele legt, und die Liebe, die eins ist mit Gott.
Du aber, hast du die Liebe und den Frieden gefunden? Eine Familie vielleicht und hübsche Kinder mit rosigen Wangen? Ich wünsche es dir, auch wenn der Gedanke die alten Wunden in meinem Herzen aufreißt. Denn unser Leben neigt sich dem Herbst, es wird Zeit, dass seine Früchte reifen
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