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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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als hörte sie nicht, und lief hinaus. Die kühle Luft des späten Frühlingsabends tat ihr gut und sie atmete tief. Langsam schlenderte sie über den Hof. Aus den Gesindehütten drang noch vereinzelt schwacher Lichtschein. Guntram von Burgund fiel ihr ein. Von fruchtbaren Weinbergen hatte er erzählt, in denen die süßesten Reben wuchsen. ‚Aus Burgund kann das saure Zeug am Abend sicher nicht gewesen sein‘, dachte sie.
    Von irgendwoher kamen gedämpfte Stimmen durch die Nacht. Neugierig lauschte sie. Ein Liebespaar? Sie schlich sich zwischen die strohgedeckten Lager, in denen die Vorräte des Königshofes aufbewahrt wurden. Der Duft von trockenem Weizen kitzelte in ihrer Nase und sie drückte sie hastig zu, um nicht niesen zu müssen. Ein halber Mond spendete ihr gerade genug Licht, dass sie die huschenden Mäuse auf dem Pfad zwischen den Hütten erkennen konnte. Unter dem letzten großen Lagerhaus, das nur wenige Meter vom Palisadenzaun entfernt auf Pfählen stand, schimmerte ein schwaches Licht hindurch.
    Vorsichtig setzte sie Schritt vor Schritt und drückte sich schließlich an die mit Lehm verschmierte Seitenwand. Jetzt konnte sie mehrere Stimmen unterscheiden. Fast glaubte sie, Gisos Stimme zu erkennen, doch das …
    Sie zuckte zusammen, als sie plötzlich von einem starken Arm umklammert wurde und eine raue Hand ihr fest den Mund verschloss. Sie wand sich und trat nach hinten, doch unweigerlich wurde sie emporgehoben und weggetragen. Erst in der Nähe des Hauptweges, der sich zwischen den Lagerhäusern und den Gesindehütten über den Hof zog, ließ der Unbekannte sie herunter, hielt sie aber weiterhin fest. Er verhinderte so, dass sie sich umdrehen und ihm ins Gesicht sehen konnte.
    „Was streunst du hier herum wie eine rollige Katze?“, knurrte er ihr ins Ohr.
    „Ich habe Stimmen gehört und wollte nachsehen. Jetzt lass mich los!“ Sie versuchte, ihren Worten einen herrischen Klang zu geben, was ihr nur kläglich gelang.
    Trotzdem ließ der Mann ein wenig locker. „Wer bist du?“ Seine Hand blieb unter ihrem Kinn, falls sie versuchen sollte, um Hilfe zu rufen.
    Sie überlegte. Ihre wahre Identität wollte sie nicht preisgeben, solange sie nicht wusste, was sich hinter den Lagerhäusern abspielte.
    „Ich bin … Gunda, eine gute Bekannte von Bertafrid, dem Königinbruder.“ So glaubte sie einerseits, unwichtig für den Mann zu sein, andererseits aber doch Autorität zu haben.
    „Na, das haben wir gleich!“, knurrte er und stieß gedämpft den Ruf einer Eule aus. Ein anderer Mann kam aus dem Dunkel und sie flüsterten hastig miteinander. Kurz nachdem der andere verschwunden war, antwortete eine weitere Eule aus der Ecke hinter den Lagerhäusern. Daraufhin warf der Mann sie kurzerhand über seine Schulter und ging mit ihr den Weg zurück, bis zu der Hütte, wo er sie gefunden hatte. Dort setzte er sie ab und zog sie zur Quelle der nächtlichen Stimmen.
    Um ein kleines Feuer saßen etwa ein Dutzend Leute. Auf den ersten Blick erkannte Radegunde die grob gewebten Kleider von Sklaven. Beim genaueren Hinsehen entdeckte sie hier und da thüringische Kleidungsstücke. Als der Lichtschein auf ihr Gesicht fiel, erhob sich Gemurmel unter den Leuten, einige sprangen auf. Mit dem Rücken zur Hütte saß ein junges Paar, das sie entgeistert anstarrte: Agnes und Bertafrid.
    „Was machst du hier?“, entfuhr es ihrem Bruder.
    „Das wollte ich dich auch gerade fragen!“
    Der Mann, der sie überwältigt hatte, erkannte sie jetzt auch und wich erschrocken zurück.
    „Lass nur, Eibo. Du hast deine Pflicht getan, mehr nicht.“ Bertafrid winkte ihm zu.
    „Was ist denn seine Pflicht?“, fragte sie.
    „Uns die Spitzel vom Hals zu halten. Wusstest du, dass Gorrick wieder da ist?“
    Sie schüttelte sich unmerklich. „Nein. Doch was treibt ihr hier?“
    „Setz dich zu uns und lausche, dann wirst du begreifen.“ Er rückte ein Stück an Agnes heran und deutete auf den Boden neben sich.
    Unwilliges Gemurmel kam auf. „Was ist?“, fragte Bertafrid in die Runde. „Sie ist meine Schwester, habt ihr das vergessen? Sie ist eine Thüringerin, wie ihr auch!“
    „Sie ist Chlothars Frau!“, rief eine gedämpfte Stimme aus der Dunkelheit.
    „Und sie betet zu dem Gott der Christen!“, keifte eine andere.
    „Sie hat mir schon zweimal zur Flucht verholfen!“
    Ihr Kopf fuhr herum. Giso! Er saß dicht neben ihr, im Schatten der Hütte hatte sie ihn nicht bemerkt. Im Überschwang ihrer Gefühle fiel sie ihm um den

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