Radegunde von Thueringen
ist Besa?“
„Sie wartet vorn am Weg. Nehmt Euch in Acht, sie hat Gorrick unwissentlich hergelockt. Er streicht noch irgendwo herum.“
Er zog sie unter der Hütte hervor und weiter in Richtung Hauptweg. Als sie sich umsah, war Giso bereits im Dunkel zwischen den Lagern verschwunden.
Besa blickte ihnen besorgt entgegen, fragte aber nichts.
Sie trafen Gorrick an der Tür zum Königshaus. Er verbeugte sich scheinheilig. Die Blicke aus seinen kleinen Augen huschten flink über sie hinweg. „Meine Königin! So spät in der Nacht noch unterwegs?“
Während sie nach einer Ausrede suchte, fauchte Besa bereits: „Was geht es dich an? Ist die Herrin dir etwa Rechenschaft schuldig?“
Gorricks Gesicht erinnerte an eine Schlange vorm Kaninchenbau. „Mir nicht, meine Beste, mir nicht …“ Damit wandte er sich ab und verschwand.
Radegunde saß am nächsten Morgen über einem weiteren Brief an Syagrios, als die schwarzhaarige Leibsklavin Chlothars nach kurzem Klopfen den Kopf zur Tür hineinsteckte. „Der Herr verlangt nach Euch!“
„Aber wieso? Ich habe ihm doch gesagt …“ Sie verstummte erschrocken.
Das Mädchen trat näher. „Ich glaube nicht, dass er Euch auf sein Lager befiehlt. Er hatte uns beide schon, heute Morgen.“ Sie sprach offen und ohne Verlegenheit. Dabei legte sie ihr beruhigend ihre kleine rehbraune Hand auf die Schulter.
Radegunde erinnerte sich einen flüchtigen Moment daran, welch verwirrende Gefühle diese Hand in ihr ausgelöst hatte. Zögernd legte sie die Feder beiseite und schüttete Sand über die frische Tinte. „Wie ist dein Name?“
Die Sklavin blickte sie erstaunt an. „Man nennt mich Salomé, Herrin.“
„Salomé“, Radegunde sprach den Namen nachdenklich nach, „diesen Namen habe ich noch nie gehört!“
„Meine Heimat liegt sehr viele Tagesreisen gen Sonnenaufgang!“ Die Stimme des Mädchens hatte plötzlich einen traurigen Klang. „Doch wir sollten den Herrn nicht warten lassen. Er ist …“, sie suchte nach Worten, die ihrer Aussage Nachdruck verleihen konnten. „Er ist nicht unbedingt guter Laune.“
Tatsächlich blickte Chlothar ihr finster entgegen, als sie sein Gemach betrat.
„Wo warst du gestern Nacht?“, fragte er ohne Umschweife.
Gorrick war schnell, das musste sie ihm lassen. Sie beschloss, so nah wie nur möglich bei der Wahrheit zu bleiben. „Ich hatte zu viel Wein getrunken. Mir war übel und ich brauchte dringend frische Luft.“
„Wo warst du?“ Seine Stimme wurde leiser.
Panik machte sich in ihrem Herzen breit. Wie viel hatte Gorrick gesehen?
„Ich bin einfach nur spazieren gegangen. Der Mond war recht hell … Aber warum wollt Ihr das wissen?“
Er kam hinter dem Pult hervor, auf das er sich bisher gestützt hatte. Mit gleichgültiger Langsamkeit trat er auf sie zu, holte aus und schlug ihr seine Faust ins Gesicht. Sie war nicht vorbereitet und stürzte. Noch im Fallen sah sie sich zurückversetzt in das Zelt am Fuße Skitingis. Diesmal wurde ihr Aufprall nicht durch Kriegsbeute gedämpft, hart schlug sie mit dem rechten Ellenbogen auf dem Boden auf. Einem gedämpften Knacken folgte ein Schmerz, der in ihrem Arm hinaufraste bis zur Schulter und ihr den Atem verschlug. Gemeinsam mit der Schmach trieb er ihr die Tränen in die Augen.
„Lüg mich nicht an!“, hörte sie Chlothar weit entfernt brüllen. Es klang, als stünde er hinter einer Wand aus Schafwolle.
Er packte sie am Arm und zerrte sie nach oben, wobei eine neue Schmerzwelle durch ihren Körper fuhr.
„Antworte! Wo bist du gewesen?“
Irgendetwas stimmte mit ihrem Ohr nicht. Sie konnte zwar sehen, dass er sie anbrüllte, aber sie hörte ihn noch immer leise und gedämpft. Sie schüttelte den Kopf. Nichts. Als hätte sie Wasser im Ohr.
„Was ist? Bist du stumm?“
Hastig rang sie um Fassung. Ein gedämpft tobender Chlothar war noch immer beängstigend, und sie fürchtete einen erneuten Schlag.
„Ich … ich bin bis zu den Lagerhäusern gelaufen. Besa hat mich dort abgeholt.“ Gorrick hatte sie beide gesehen, also würde Chlothar von Besas Beteiligung wissen.
„Richtig. Die allgegenwärtige Zwergin. Sie werde ich mir auch noch vornehmen.“ Es klang nicht mehr wütend, nur noch gefährlich.
„Sie hat damit …“ Sie biss sich auf die Zunge. Sie durfte jetzt keinen Fehler machen. „Sie hat es doch nur gut gemeint!“
„Kannst du mir verraten, was du nachts bei den Lagerhäusern zu suchen hast? Ich dachte, wir hätten das geklärt!“ Er war schon fast
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