Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
Vom Netzwerk:
meinem Anblick. Trotzdem gab ich mir Mühe, ein paar ordentliche Purzelbäume zu schlagen.“ Sie senkte den Kopf und zupfte fahrig an ihrem Gewand.
    Radegunde begann zu ahnen, dass sie der Zwergin Unrecht getan hatte.
    „Nach mir führte ein alter Mann mit dem Hund Kunststückchen vor. Ich weiß nicht mehr, wie er hieß, wir haben ihn nur ,Alterchen‘ gerufen. Er ließ den schwarzen Streuner auf den Hinterbeinen laufen und irgendwelche Dinge aus dem Publikum holen, die der Alte vor jeder Vorstellung versteckt hatte. Hinker war ein kleiner Junge, dessen rechtes Bein steif war. Er ging anschließend herum und sammelte Geld oder Brot und Obst für uns ein. Er sah die Leute so drollig an, dass er immer mit vollen Beuteln zurückkam. Wenn die Vorstellung vorbei war, traten meist einzelne Männer zu Filas und deuteten auf Malai. Filas streckte die Hand aus und Malai musste mit den Männern gehen. Manchmal zeigten sie jedoch auch auf Hinker oder auf mich.“
    Radegunde nahm Besas Hand. „Es tut mir leid, ich hatte keine Ahnung. Bitte verzeih mir!“
    „Ich wollte dir nichts vorjammern. Du sollst nur begreifen, dass so etwas in der Natur der Männer liegt. Entweder du findest dich damit ab oder du gehst daran zugrunde.“
    „Wie alt warst du damals?“
    „Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, wann ich geboren wurde oder wer meine Eltern waren. Als Filas mich das erste Mal an einen Mann verkaufte, hatte ich jedenfalls meine unreinen Tage noch nicht.“
    Die Tür öffnete sich beinahe lautlos. Eine der beiden Liebesdienerinnen Chlothars steckte den Kopf herein. „Der Herr erwartet Euch!“
    Besa gab ihre Hand frei und sie folgte dem Mädchen.
    Chlothar lag bereits nackt auf dem Lager und gab wohlig knurrende Laute unter den Händen der zweiten Dienerin von sich. Die schwarzhaarige Sklavin saß rittlings auf ihm und knetete mit ölglänzenden Fingern sein Gemächt.
    ,Gütige Freya, hoffentlich erwartet er das nicht von mir!‘, schoss es ihr durch den Kopf.
    „Wo bleibst du denn, schöne Frau? Ich kann kaum noch warten!“ Seine Stimme klang gepresst.
    „Ich – ich habe die Zeit vergessen!“
    „Komm her, schnell!“ Sein Glied schien noch größer zu sein als gestern.
    „Ich – “, sie überlegte fieberhaft und ihr panischer Blick fiel auf das Nachtgeschirr in der Ecke. „Ich muss noch schnell ins geheime Gemach!“
    Sie drehte sich um und rannte mit wehendem Umhang zur Tür hinaus.
    Vor dem Altar in der Kirche fand sie sich wieder. „Vater, gütiger Herr! Ich kann nicht tun, was der König von mir verlangt! Hilf mir!“
    Sie legte sich auf die Steine und breitete die Arme aus. Die Kälte der Quader drang ihr unter die Haut und ließ sie ruhiger werden. Leise begann sie zu beten. Zuerst das „Paternoster“ und schließlich das „Atta unsa“. Die fremden Worte aus Amalabergas Gebet kamen ihr wie ein Stück Heimat vor.
    „Nanu, gotische Worte in meiner Kirche?“ Eine vorwurfsvolle Stimme schreckte sie auf. Medardus stand hinter ihr. „Ihr betet wie die Arianer! Lasst das nicht den König hören!“
    Sie erhob sich und klopfte sich den Staub vom Gewand. „Dieses Gebet lehrte mich eine Arianerin, das ist wahr. Doch die Worte sind dieselben wie im ,Paternoster‘.“
    „Ihr müsst noch lernen, dass gleiche Worte nicht immer das Gleiche bedeuten.“ Er zündete ein kleines Talglicht an. „Was macht Ihr um diese Zeit vor Gottes Altar?“
    Sie überlegte, dann entschloss sie sich, offen zu sein. „Ich bin vor dem Bett des Königs geflohen. Ich kann ihm einfach nicht zu Willen sein.“
    Medardus’ Augen blickten sie unter dichten weißen Brauen mitfühlend an. „Habt Ihr es versucht?“
    „Ja! Und es war furchtbar. Und Besa sagt auch, dass ich es tun muss, und Chlothar …“ Plötzlich kamen ihr die Tränen. Wie ein reinigendes Gewitter nach einem schwülen Sommertag stürzten sie aus ihren Augen und ihre Stimme versagte.
    Medardus schwieg bedächtig und klopfte ihr sacht den Rücken. Hinter ihnen knarrte die Tür. Besa trat ein, in der Hand eine blakende Fackel. Neben ihr stand eine von Chlothars Dienerinnen.
    „Herrin, der König schläft! Ihr könnt auch zu Bett gehen!“, sagte das Mädchen leise. Sie nahm sie bei den Schultern und zog sie zur Tür.
    Medardus blickte ihnen mit sorgenvollem Gesicht nach.
    Während der Morgenmesse stand Chlothar schweigend neben ihr. Erst beim Verlassen der Kirche fragte er: „Warum hast du gestern Abend nicht das Nachtgeschirr in meinem Gemach benutzt? Ich

Weitere Kostenlose Bücher