Radegunde von Thueringen
Hals. Sein Geruch nach Rauch und Pferdeschweiß erinnerte sie an die Wochen ihrer Verschleppung. Die Zweifler hinter ihr verstummten.
Bertafrid ergriff das Wort: „Wir haben jetzt den Beweis, dass unser Herr und König Herminafrid von der Mauer des Zülpicher Frankenhofes gestoßen wurde. Was wir von Anfang an glaubten, ist wahr.“
Die Leute murmelten und blickten wild um sich. Ihr Bruder beugte sich vor.
„Giso ist es gelungen, mit dem Schreiber Theudeberts Kontakt aufzunehmen. Er musste einen Brief an den byzantinischen Kaiser Justinian aufsetzen, in dem es wortwörtlich heißt … Giso, vielleicht sagst du es selbst?“
Giso räusperte sich verlegen und richtete sich auf. „Durch die Gnade unseres Gottes sind glücklicherweise die Thüringer unterworfen und ihre Provinzen erobert worden. Ihre Könige wurden jüngst ermordet.“
Es wurde still unter den Zuhörern und er fügte leise hinzu: „Ich habe es auswendig gelernt.“
Die Männer stießen Verwünschungen aus, einige Frauen weinten.
„Schsch, seid still! Wollt ihr, dass sie uns hören?“ Eine kleine dralle Küchenmagd blickte sich ängstlich um.
„Habt ihr gehört?“, zischte ein Stallknecht. „Sie berufen sich auf ihren Christengott! Es wird Zeit, dass wir unsere Götter wieder ehren!“
„Aber das tun wir doch!“
„Wir opfern dem Wodan, hast du das vergessen?“ Eine Frau neben ihm fuchtelte mit der Hand vor seinem Gesicht.
„Wir haben nicht einmal einen ordentlichen Priester!“ Er wehrte ihre Hand ab.
Das stimmte wohl, denn sie verstummten und schwiegen nachdenklich.
„Ihr müsst nach wie vor sehr vorsichtig sein!“, ermahnte Bertafrid. „Traut niemandem, den ihr nicht kennt. Erst gestern ist einer von uns ins Verlies gebracht worden, weil er heimlich ein Stück Ziegenfleisch verbrannt hat. Jemand hat ihn an Gunthar verraten. Ihr wisst, was das bedeutet.“ Sein Blick fiel auf einen Jungen zu seiner Rechten, der den Arm in einer Schlinge trug und dessen Gesicht übel zugerichtet war.
Sie glaubte in ihm den Küchenjungen wiederzuerkennen, den Gunthar am Abend ihrer Hochzeit verprügelt hatte.
„Gibt es Neuigkeiten von Amalaberga und ihren Kindern?“ Sie versuchte, beiläufig zu klingen.
Bertafrid zuckte die Schultern. „Nein. Wir wissen nur, dass sie nach Konstantinopel verschleppt wurden, nachdem König Theodahad ermordet worden war.“
„Also nichts Neues.“ Sie war enttäuscht.
„Die Frankenkönige erhielten vor Theodahads Tod 50.000 Solidi als Sühne für seinen Mord an seiner Vorgängerin Amalasuntha“, ergänzte Giso.
Jemand stöhnte auf. „Mit dieser Summe könnte man ein ganzes Heer unterhalten!“
„Genau das werden sie wohl auch tun!“
„Warum zahlte Theodahad so viel Geld als Sühne an die Franken?“, fragte jemand aus der Menge.
„Amalasuntha muss mit ihnen verwandt gewesen sein. Genau weiß ich es nicht.“ Bertafrid sah Giso fragend an, doch der hob die Hände.
Der Schrei einer Eule, dreimal kurz hintereinander, ließ die Versammelten aufschrecken. Hastige Hände deckten das Feuer mit Pferdemist ab. In Windeseile zerstreuten sich alle. Bertafrid zog Radegunde unter die Hütte, Agnes blieb neben ihr und legte mahnend den Finger auf die Lippen.
Ein schwacher Ruf drang vom Hauptweg herüber. „Radegunde?“
Sie fuhr auf und rammte sich schmerzhaft den Kopf am Unterbau des Lagerhauses. „Autsch!“
„Schscht! Sei still!“, zischte Bertafrid ärgerlich und Agnes zog sie wieder herunter.
„Aber das ist Besa! Sie sucht nach mir!“ Auf ihrem Kopf wuchs eine Beule zur Größe eines Hühnereies heran.
„Bei allen guten und bösen Geistern, sind wir bald komplett?“, stöhnte Bertafrid und kroch aus dem Versteck. „Wartet hier!“
Sie lauschte auf die vertrauten Geräusche der Nacht und lehnte sich an Agnes’ warmen Körper. Eine wohlige Mattigkeit überfiel sie und sie rieb sich den schmerzenden Kopf.
„Meine Mutter hat immer die Schneide eines breiten Messers daraufgedrückt, wenn ich mich als Kind gestoßen hatte. Das tat furchtbar weh, aber es konnte sich keine Beule bilden“, flüsterte Agnes.
„Dazu ist es wohl zu spät.“ Sie betastete das „Ei“ auf ihrem Kopf. „Was machst du eigentlich hier?“
„Ich unterstütze Bertafrid.“
„Aber warum? Du bist keine …“
„Ich liebe ihn!“
„Du – was? Aber –“
Giso glitt wie ein Schatten unter die Hütte und unterbrach ihre durcheinanderwirbelnden Gedanken. „Los, kommt jetzt! Wir müssen hier weg!“
„Wo
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