Radegunde von Thueringen
geeignet ist!“, entgegnete sie hastig. „Auf unserer … Reise hierher hatte Bertafrid einen Diener: Giso. Er ist sehr zuverlässig.“
Chlothar runzelte die Stirn. Radegunde betete im Stillen, dass er nichts von Gisos mysteriösem schwarzen Tod gehört hatte. Erleichtert schloss sie die Augen, als er schließlich nickte. „Also gut. Soll ich ihn holen lassen?“
„Nein. Das kann Besa erledigen. Aber Ihr solltet ihm eine Urkunde ausstellen, die ihn als königlichen Boten ausweist.“
„Gut.“ Er stand auf und küsste sie auf die Stirn. „Morgen früh speist du wieder in der Halle! Und du wirst einen Schleier tragen!“ Er winkte dem kleinen Sigibert. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss.
Sie lehnte sich in ihr Kissen zurück und grinste, wogegen ihre Lippen mit einem schmerzhaften Ziehen protestierten. Giso würde ihr Bote sein! Endlich konnte er aus einem offiziellen Grund ungehindert reisen. Am liebsten hätte sie sofort ihren Bruder rufen lassen, doch sie wollte vorsichtig sein.
Es klopfte leise und Agnes trat ein. „Wie geht es dir?“
„Ich habe wundervolle Neuigkeiten! Komm, setz dich!“
Agnes musterte ihr Gesicht und den Arm mit vielsagenden Blicken, hörte jedoch geduldig zu.
„Das wird Bertafrid nicht recht sein, schließlich kann er jetzt nicht mehr frei über Giso verfügen!“, mutmaßte sie, als Radegunde schwieg.
„Aber Giso muss sich nicht mehr verstecken, er reitet als offizieller Bote und wird sogar vom König ausstaffiert! Bertafrid muss diese Vorteile einfach sehen!“
Agnes nickte widerstrebend. Ihr Blick fiel auf die Rolle neben Radegundes Bett. „Was ist das?“
„Ach, das ist die Überschreibungs-Urkunde für irgendein Gut in Saix. Der König hat es mir geschenkt.“
„Wenn er so weitermacht, wirst du die reichste und unglücklichste Frau im Frankenland sein!“ Sie legte ihre Hand auf Radegundes gesunden Arm.
Ein Schatten glitt über deren Züge und sie blickte zur Seite. „Kannst du Bertafrid benachrichtigen? Er soll es gleich erfahren!“
„Ja, natürlich. Er macht sich große Sorgen um dich. Am liebsten würde er Chlothar zum Zweikampf fordern. Ich hatte große Mühe, ihn an seinen Status als Gefangenen zu erinnern.“
„Er weiß … davon?“
Über Agnes’ feines Gesicht zog eine leichte Röte. „Ja. Ich habe es ihm gesagt.“ Jetzt nahm ihr Gesicht die Farbe einer reifen Kirsche an und Radegunde richtete sich auf.
„Keine Geheimnisse zwischen Liebenden, was? Wie lange geht das schon mit euch?“
„Ich wollte es dir immer wieder sagen, aber irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt.“
„Seit wann?“ Radegunde versuchte, streng auszusehen, doch die Freude leuchtete in ihren Augen und strafte ihre Blicke Lügen.
„Seit einem Mond …“
„Aber das ist herrlich, wunderbar! Ihr werdet heiraten, Kinder haben!“
„Nun ja – so schnell geht das wohl nicht!“ Agnes wand sich vor Verlegenheit.
„Aber warum nicht? Es ist wunderbar zu lieben! Du hast den Mann deines Herzens an deiner Seite, siehst ihn jeden Tag. Was würde ich dafür geben, wenn …“ Sie brach ab und ihr Blick ging in die Ferne.
Agnes griff nach ihrer Hand. „Verzeih mir, ich wollte dich nicht an dein eigenes Unglück erinnern!“
„Habe ich dir jemals von Amalafrid erzählt?“
„Nein!“
„Dann hör gut zu, du wirst sehen, welch unglaublichen Schatz ich in mir trage.“
Zur Morgenmahlzeit erschien Radegunde mit einem Seidenschleier vor dem Gesicht. Niemand wunderte sich darüber. Der Verband am Arm war sorgsam unter dem Umhang versteckt. Nachdem sie einige mitleidige Blicke vor allem vom Gesinde aufgefangen hatte, begriff sie, dass alle hier wussten, was der Schleier bedeutete. Ihr Gesicht brannte, während sie mit der linken Hand in ihrem Haferbrei herumrührte. Diese Demütigung schmerzte stärker als ihre Verletzungen.
Chlothars Schreiber brachte am Vormittag die Urkunde, die Giso als rechtmäßigen Boten der Königin auswies. Sie war mit Chlothars Siegel versehen, und sie drückte ihren neuen Siegelring gleich daneben in einen frischen Klecks Lack. Dann ließ sie Giso rufen.
Er bekam große Augen, als er von seiner Aufgabe hörte.
„Ich danke Euch, meine Königin, für Euer Vertrauen! Ich werde Euch nicht enttäuschen!“
Besa, die in der Ecke über eine Näharbeit gebeugt saß, konnte sich ein spöttisches Grunzen nicht verkneifen.
„Steh auf, du musst nicht so förmlich sein, wenn wir unter uns sind!“, bat Radegunde. „Ich habe einen ersten Auftrag
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