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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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für dich. Du wirst nach Athies reiten und nach dem Rechten sehen. Du weißt selbst, worauf es mir ankommt. Werden die Kinder in meinem Sinne verpflegt, besuchen sie regelmäßig den Unterricht? Schau dich um, und was dir auffällt, das berichte mir. Sprich mit Gunda unter vier Augen, frag sie nach ihren Sorgen und Nöten.“
    Sein Blick erhaschte eine Lücke in ihrem Schleier, und seine Miene umwölkte sich. Ein dunkler Bluterguss zog sich von ihrer Lippe zum rechten Auge hinauf.
    „Hast du verstanden?“ Sie zog den Schleier tiefer in die Stirn.
    Er biss sich auf die Lippen, um nicht zu sagen, was ihm nicht zustand. „Ja, meine Königin. Ich werde reiten, noch heute.“ Er wandte sich zur Tür, nicht ohne Besa einen vernichtenden Blick zuzuwerfen.
    „Giso!“
    „Ja?“
    Radegunde senkte ihre Stimme. „Was immer du für unsere gemeinsame Sache tun musst, du hast während deiner Botenritte freie Hand!“
    In seinen Augen blitzte es auf. „Danke, meine … danke Radegunde!“
    Sie grinste, doch das konnte er nicht sehen.
    Voll frischem Mut schnappte sie sich die Rolle, die Chlothar ihr am Vortag gebracht hatte, und begab sich auf die Suche nach Medardus. In der Kapelle traf sie seinen Gehilfen an, einen jungen Priester, der frische Dochte in die Wachsbehälter zog.
    „Der ehrwürdige Herr Bischof ist zur Schneiderwerkstatt gegangen, Herrin. Er hatte sich ein neues Gewand bestellt. Soll ich ihn holen?“
    „Nein, lass nur. Ich gehe selbst.“
    Um diese Tageszeit kamen aus allen Ecken des Hofes emsige Arbeitsgeräusche. Von der Schmiede klangen rhythmische Hammerschläge herüber, Zimmerleute bearbeiteten die Deichsel eines Ochsenkarrens. Der Geruch nach verbranntem Horn und frischem Holz hing in der Luft. Die Werkstätten der Tuchschneider lagen gleich neben den Weberhütten. Kleinere Kinder sprangen lachend zwischen Webstühlen umher, die in die warmen Strahlen der Sonne gerückt worden waren.
    Die Weber grüßten freundlich, doch schienen sie nicht zu erkennen, wer dort verschleiert vorüberlief.
    „Habt ihr Bischof Medardus gesehen?“, rief sie hinüber.
    „In der zweiten Hütte, die mit der schiefen Tür!“, antwortete ihr eine jüngere Frau und kicherte. „Aber klopft vorher an, sonst könnte …“ Ihre letzten Worte gingen im lauten Gelächter der Weber unter.
    Kopfschüttelnd fand sie die Hütte. Drinnen war es still. Die Weber starrten neugierig herüber und sie klopfte energisch.
    „Was ist?“, fragte eine ungehaltene Frauenstimme.
    „Ich suche den Bischof!“
    „Was willst du von ihm?“
    Während sie noch überlegte, ob sie sich zu erkennen geben sollte, wurde die Tür schwungvoll aufgerissen. Da sie tatsächlich schief in den Angeln hing, erforderte das scheinbar mehr Kraft als üblich und war mit einem hässlich kratzenden Geräusch verbunden. Eine junge Frau mit großen blauen Augen blickte sie argwöhnisch an. Ihr helles Haar hatte sich aus den Zöpfen gelöst und hing ihr lose über die Schultern. Während sie mit einer Hand die Tür hielt, raffte sie mit der anderen ihren Umhang über der nackten Brust zusammen. Als sie Radegundes Kleidung musterte, wurde ihr Blick vorsichtig. Vergeblich versuchte sie, das Gesicht der Besucherin durch den Schleier zu erkennen.
    Radegunde spürte, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht stieg, und sie war dankbar für das dichte Tuch, das ihr Antlitz verbarg. Sie murmelte hastig: „Komme später noch mal“, und lief an den Schneiderhütten entlang mit immer schnelleren Schritten davon.
    Nur kurze Zeit später klopfte Bischof Medardus an ihrer Tür. Besa öffnete ihm, und Radegunde erschrak, sie sprang auf und vergaß völlig, den Schleier aufzusetzen.
    Medardus schickte Besa mit einem kurzen Wink hinaus und trat auf sie zu. Sein Blick glitt über ihr Gesicht und wurde weich. „Mir scheint, wir haben beide ein Geheimnis zu hüten, was uns nicht besonders erfolgreich gelingt. Ihr wart das eben an der Hütte der Schneiderin, nicht wahr?“
    Sie nickte und senkte die Augen. „Ich wollte nicht …“
    „Schon gut. Die meisten wissen ohnehin schon davon.“ Er strich ihr sanft mit dem Zeigefinger über die Wange. „War er das?“
    „Auch das wissen viele bereits!“, antwortete sie sarkastisch.
    Er schnalzte mit der Zunge. „Ihr müsst lernen, mit ihm zu leben.“
    „Meine Vorgängerin starb bei dem Versuch, mit ihm zu leben.“
    „Guntheuka starb im Kindbett!“ Seine hellen Augen wichen ihrem forschenden Blick aus.
    „Das mag sein, aber nicht an

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