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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Knodel
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den Folgen der Geburt. Ihr braucht mir nichts vorzulügen. Auch ich habe Augen und Ohren.“
    Er seufzte. „Euer Zynismus wird Euch nicht helfen. Ihr verfügt über Intelligenz und Liebreiz, zwei wirksame Waffen gegen Gewalt.“
    „Intelligenz allein verschafft keine Macht.“
    „Nun, gepaart mit ein wenig Liebe …“ Er lächelte hintergründig.
    „Diesen Rat habe ich schon einmal gehört!“ Sie wandte sich ab.
    „Warum wolltet Ihr mich sprechen?“
    Der Themenwechsel kam ihr recht. Sie griff nach der Eigentumsurkunde und gab sie ihm. „Setzt Euch doch.“ Sie wies auf die Bank am Kamin. „Kennt Ihr die Villa Saix?“
    „Nicht sehr gut. Ich war einmal dort, auf der Durchreise. Wir kamen bei einbrechender Nacht an und …“ Er überflog das Schreiben und riss die Augen auf. „Oh, er hat sie Euch überschrieben?“
    „Ja. Ich brauche Euren Rat.“ Sie nahm neben ihm Platz. „Was soll ich damit anfangen? Ich hatte gehofft, Ihr kennt den Hof besser.“
    Er ließ das Pergament sinken und dachte nach. „Da Ihr ausgerechnet mich fragt, nehme ich an, Ihr habt an etwas Wohltätiges gedacht?“
    Sie zuckte die Schultern. „Ja, ich glaube, schon.“
    „Nun, als Kind habt Ihr ein Waisenhaus geschaffen, jetzt seid Ihr eine Frau. Warum gründet Ihr nicht ein Kloster für verstoßene Frauen?“
    „Verstoßene Frauen?“
    „Ja, es gibt, weiß Gott, genug arme Weiber, die nicht wissen, wohin, weil ihr Ehemann sie vom Hof jagte! Die meisten von ihnen sind Ehebrecherinnen oder werden eines Ehebruchs beschuldigt. Einige fliehen auch von selbst vor ihrer unglücklichen Ehe.“ Er brach ab, als ihm die Ähnlichkeit mit ihrer eigenen Situation bewusst wurde.
    Tatsächlich blickte sie auf und nickte. „Ich glaube, das ist eine gute Idee. Ich werde darüber nachdenken.“
    Er stand auf. „Wenn Ihr Hilfe braucht, schickt einen Boten nach Noyon!“ Er ließ offen, wofür er ihr seine Hilfe anbot.
    Sie lächelte. „Danke. Ich werde gewiss darauf zurückkommen. Vorerst schließt mich in Euer Gebet ein!“
    Er verneigte sich und verließ den Raum.
    Sie blieb sitzen und dachte nach. Wenn sie Giso nicht nach Athies geschickt hätte, könnte sie ihn mit der Erkundung von Saix beauftragen. Zu gern hätte sie sofort mehr Informationen gehabt. Oder sollte sie selbst dorthin reisen? Ob Chlothar das erlauben würde? Müde rieb sie sich die Schläfen. Sie würde ihn fragen müssen.
    „… gepaart mit ein wenig Liebe …“, hatte Medardus ihr empfohlen, ähnliche Worte, wie sie Chrothilde bei ihrem Besuch in Athies benutzt hatte. Schaudernd malte sie sich die Konsequenzen aus.
    Ihre Rastlosigkeit trieb sie in die Kapelle. Die Sonne hatte den Zenit bereits überschritten und es lag eine mittägliche Stille über dem Hof. Unter einem großen Ahorn hatten sich ein paar braune Hühner in den Boden gescharrt. Wie Maulwurfshaufen lagen sie in der staubigen Erde und gackerten im Schlaf vor sich hin. Im Schatten der Johannisbeersträucher schnarchte eine dicke Sau mit langen Borsten. Eine Handvoll Ferkel balgte sich träge um ihre Zitzen.
    In der Einsamkeit der kleinen Kirche erwartete Radegunde angenehme Kühle. Der junge Priester saß vor dem Altar und hielt ein Nickerchen.
    Als sie hüstelte, schrak er auf. „Verzeiht, Herrin. Sucht Ihr den Bischof? Er ist gerade nach Noyon aufgebrochen. Vor nächster Woche wird er nicht wieder hier sein.“
    „Ich möchte eigentlich nur in Ruhe beten.“
    „Oh, natürlich! Verzeiht!“ Er verbeugte sich mehrfach, während er sich rückwärts in Richtung Tür bewegte.
    Vor dem Altar sank sie auf die Knie. „Gott, Vater, bitte hilf mir!“ Wie so oft vorher überkam sie ein wenig Schuldbewusstsein, wenn sie den Christengott anrief. Doch seit sie das Ebenbild Bertachars in der Kapelle wusste, waren ihr die alten Götter nicht mehr wichtig. Was hatte Wodan denn getan, um ihr zu helfen? Hatte er nicht tatenlos zugesehen, wie ihr Volk erschlagen, verschleppt und versklavt wurde? Konnte er sie noch härter bestrafen, wenn sie nicht mehr zu ihm betete? Der Anblick des Gekreuzigten dagegen war ihr inzwischen vertraut. Sie unterschied nicht mehr, ob sie zu Jesus oder zu ihrem Vater sprach. Beide waren in ihren Gedanken eins geworden.
    Dunkle Wolken mit dicken Wasserbäuchen zogen heran, als sie die Kirche später mit schmerzenden Knien verließ. Der aufkommende Wind wirbelte kleine Staubschleier über den Hof. In der Ferne grollte Donner. Im Hof kam hektische Betriebsamkeit auf. Zwei Mägde scheuchten mit

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