Radegunde von Thueringen
gestorben!“
„Nein, ich lebe. Und mit Gottes Hilfe wirst auch du bald wieder aufstehen!“
Die Kranke schüttelte sacht den Kopf. „Oh, das glaube ich nicht! Ich hatte noch nie Glück in meinem Leben. Warum sollte das jetzt passieren.“ Das Sprechen fiel ihr sichtlich schwer.
„Weil ich dich brauche! Wie soll ich ohne dich mit Chlothar zurechtkommen?“
Die Sklavin lächelte schwach und schlief erschöpft wieder ein.
„Wir müssen versuchen, ihr eine Hühnersuppe einzuflößen. Sie muss zu Kräften kommen. Es ist nicht die Krankheit, die sie schwächt, ihr fehlt es an Lebenswillen!“
Chrotesina nickte. „Ich kümmere mich um die Suppe. Sie wird auch einigen anderen guttun.“
Als Salomé das nächste Mal erwachte, stand eine Schale bereit. Vorsichtig fütterte Radegunde die junge Frau, die gehorsam schluckte. Das war der Anfang ihrer Genesung.
Der kleine Agnefrid sollte für dieses Mal das letzte Opfer des schwarzen Todes gewesen sein.
Allmählich erholte sich der Hof von dem Schock der Seuche. Es gab auch kaum Zeit zum Grübeln, denn der Winter stand vor der Tür. Die Ernte musste mit den wenigen verbliebenen Arbeitskräften eingefahren werden. Der Hafer drohte auszufallen, die Hirse war überreif. Überall herrschte Mangel an Arbeitern, die Preise für Sklaven schnellten in die Höhe. Wer überlebt hatte, hatte vom ersten Sonnenstrahl bis zum schwindenden Tageslicht zu arbeiten, um im Winter nicht wegen Hungers zu sterben.
Obwohl Chlothar unwillig die Stirn runzelte, halfen Radegunde, Agnes und Salomé bei der Weinlese. Salomé erzählte jedem, der es hören wollte, dass die Herrin persönlich sie von der Pest geheilt habe. Sie traf damit auf willige Ohren, denn beinahe jeder hatte gesehen, wie selbstlos Radegunde die Kranken und Sterbenden gepflegt hatte. Es fand sich am Hof kaum noch jemand, der nicht eine tiefe Verehrung für die junge Königin im Herzen trug.
Die Küchenmägde pflückten Äpfel und Birnen, die Stallknechte halfen bei der Getreidemahd. Selbst die Wachmannschaft Chlothars wurde herangezogen, fluchend und schimpfend ob der ungewohnten Arbeit transportierten sie auf Ochsenkarren das Erntegut in die Lagerhäuser.
Jede Familie hatte Tote zu beklagen, häufig taten sich die Überlebenden mit einer anderen Restfamilie zusammen, so dass Kinder wieder Eltern bekamen und die Alten versorgt werden konnten.
Auf dem Land war die Situation schwieriger, oft hatte die Pest eine ganze Sippe ausgerottet. Die kleineren Höfe lagen weiter auseinander, Felder voller Weizen und Gerste verkamen, denn die Bauern der benachbarten Höfe schafften es kaum, ihr eigenes Getreide zu ernten.
Dass es im folgenden Winter nicht zu einer Hungersnot kam, lag nur daran, dass mit den vielen Toten auch die Anzahl der Esser reduziert worden war.
Soisson, Sommer 555
„Halt durch, Salomé, du hast es bald geschafft! Ich kann das Köpfchen sehen.“
Ein schriller Schrei gellte als Antwort durch das Haus. Agnes kniete hinter der Kreißenden und stützte ihren Rücken. Radegunde knetete den Bauch, der in den letzten Monaten die Größe eines kleinen Weinfasses angenommen hatte. Eine neue Wehe erfasste die Frau.
„Pressen! Fester!“
Die sonst so stille Salomé stieß einen Schrei aus, der das Gesinde in ganz Soisson zusammenfahren ließ. „Ich … kann nicht mehr!“
„Das Köpfchen ist da, jetzt ist es nur noch ein Kinderspiel.“
Noch eine Presswehe erfasste die Frau, diesmal war es Agnes, die aufschrie, denn Salomé warf ihren Kopf zurück und traf sie am Kinn.
„Es ist ein Mädchen! Ein süßes braunes Ding! Seht nur!“ Radegunde hielt triumphierend ein schleimiges, blutverschmiertes Bündel in die Höhe.
„Denk an die Nabelschnur!“, mahnte Agnes und rieb sich den Unterkiefer. „Warte, ich helfe dir.“
Die Sklavin ließ sich erschöpft auf das Lager fallen. „Ist es gesund?“
Ein kräftiges Krähen beantwortete ihre Frage. Während Agnes das kreischende Neugeborene wusch, tastete Radegunde Salomés Bauch ab. Dabei zog sie die Stirn kraus.
„Das ist seltsam!“, murmelte sie.
„Was …?“ Salomé konnte den Satz nicht beenden. Eine neue Wehe krallte sich in ihr Inneres, nahm ihr die Luft und ließ sie überrascht aufkeuchen.
„Agnes, mach dich bereit, es sind zwei Kinder!“, rief Radegunde und lachte über das entsetzte Gesicht der Mutter.
„Nein, gütiger Jesus!“ Agnes schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Der König wird Augen machen!“
„Hoffentlich hat er nun
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