Radegunde von Thueringen
endlich genug von mir!“, jammerte die Sklavin in einer Wehenpause.
„Vier Kinder dürften reichen! Wenn sie jetzt auch noch doppelt kommen – oje, es geht wieder los!“ Sie riss den Kopf nach vorn auf die Brust und krümmte sich stöhnend.
Eine neugierige Hausmagd steckte den Kopf durch die Tür des Gemachs. „Wieso schreit Salomé immer noch? Wir hören doch das Kind schon greinen!“
Agnes erklärte es ihr und schob sie hinaus. Schneller als eine Schwalbe im Tiefflug verbreitete sich die Neuigkeit am Hofe.
Normalerweise interessierte es Chlothar nur mäßig, wenn eine seiner Gespielinnen einen Bastard zur Welt brachte. Die Kinder wurden am Hof großgezogen und später – immerhin als Freie – im niederen Dienst beschäftigt. Für ihn war nur wichtig, wann die Frauen ihm wieder zur Verfügung standen.
Nun wurden Zwillinge mit besonderer Manneskraft in Verbindung gebracht, und Chlothar fühlte sich nach den vielen zotigen Bemerkungen und Lobesworten seiner Krieger gebauchpinselt. So kam es, dass er in der Tür des Gemaches stand, kaum dass das zweite Neugeborene, ein Junge, gewaschen und gewickelt war.
„Gleich zwei Stück?“, fragte er Agnes und beugte sich über den Korb, in dem die beiden Säuglinge sich aneinanderschmiegten.
„Ja, Herr. Ein Pärchen!“
„Gut gemacht!“, brummte er, wobei unklar blieb, ob das Lob ihm selbst oder Salomé galt.
Mit einem schiefen Seitenblick auf Radegunde verschwand er wieder.
„Was sollte das denn bedeuten?“, murmelte Agnes verblüfft.
Die Sklavin sah Radegunde schuldbewusst an. „Es tut mir leid!“
„Was?“, fragte sie verdutzt. Dann begriff sie. „Dass du ihm Kinder schenkst und ich nicht?“
Salomé nickte.
„Das sollte dir nicht leid tun, du weißt, dass ich für ihn nichts empfinde.“ Sie steckte sich eine lose Haarsträhne unter die Haube. „Gott wird nicht wollen, dass ein Kind ohne Liebe gezeugt wird.“
„Euer Gott ist Euch sehr wichtig, nicht wahr?“
„Er ist beinahe alles, was ich noch habe“, antwortete sie leise.
„Dieser Gott ist gut. In meiner Heimat bedeuten Zwillinge großes Unglück. Einer von beiden muss dort getötet werden“, sagte Salomé ebenso leise.
Einer der Säuglinge begann zu weinen.
„Jetzt wollen wir mal sehen, ob du die beiden satt kriegst, sonst müssen wir uns um eine Amme kümmern“, sagte Radegunde betont fröhlich und griff nach dem Schreihals.
Nach dem Abendessen konnte Chlothar nicht umhin, ein Fass Wein zu spendieren. Die Krüge kreisten und einer der Vikare brüllte nach dem Lautenspieler. Radegunde verließ die Tafel. Sie war müde und hatte keinen Spaß an den derben Zoten der Edelleute und Krieger.
Der Abend war mild und klar, ein strahlender, mondloser Sternenhimmel spannte sich über den Hof. Sie legte den Kopf in den Nacken und betrachtete das helle Band der „Milchstraße“. War Gott dort oben? Zwischen den Sternen? Oder befand er sich vielleicht hier auf der Erde mitten unter ihnen? Beides erschien ihr unwahrscheinlich. Sie nahm sich vor, Bischof Medardus bei nächster Gelegenheit danach zu fragen. Ein guter Gott, meinte Salomé. War er das? Warum erschienen dann manche Dinge, die er zuließ, so unverständlich? Warum hatte Besa sterben müssen, warum Agnefrid? Bis heute litten Bertafrid und Agnes unter dem Tod ihres Jungen.
„Radegunde!“
Sie schrak zusammen. Zwischen den Häusern der Edelleute trat Giso hervor. Offenbar war er bei Bertafrid zu Gast gewesen. Sie hatte sich schon gefragt, warum ihr Bruder nicht an dem Trinkgelage teilnahm.
„Sei willkommen, mein Freund!“ Lachend reichte sie ihm ihre Hände. Dabei fiel ihr auf, dass sein störrisches rotblondes Haar an der Stirn langsam licht wurde. „Was bringst du für Nachrichten?“
Ihr Bote zögerte und sah sich um. „Lass uns ein Stück gehen. Man kann nie wissen.“
Sie winkte ab. „Du meinst Gorrik? Der ist alt geworden. Er hört sehr schlecht, ist fast blind und muss sich sein täglich Brot erbetteln. Die Küchenmägde scheuchen ihn fort, wenn sie ihn nur sehen.“
„Aber gewiss hat er ehrgeizige Nachfolger!“
Gemächlich schlenderten sie den Hauptweg entlang durch Soisson. Rechts und links duckten sich kleine Steinhäuser in der Dunkelheit.
„Nun rede schon!“, drängte Radegunde. „Hast du Neuigkeiten aus Konstantinopel?“
„Man sagt, Amalaberga lebt sehr gut am Hofe des Kaisers Justinian. Sie gehört zu seinen bevorzugten Hofdamen. Ihre Tochter wurde vor Jahren mit dem Langobardenkönig Audoin
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