Radegunde von Thueringen
wieder für längere Zeit das Bewusstsein.
Besa nickte sorgenvoll. „Genau wie damals. Jetzt brauchen wir nicht mehr zu hoffen. Es ist der schwarze Tod.“
Baudins Frau Chrotesina, eine kleine dralle Frau, übernahm die Nachtwache in der Krankenhütte. Sie ließ sich die Sorge um ihren Jungen kaum anmerken. Resolut schob sie Radegunde zur Tür hinaus. „Ihr müsst Euch ausruhen, wo denkt Ihr hin? Morgen früh seid Ihr wieder frisch am Werk.“
Die Magd starb in der Nacht. Schon nach einer Woche waren zwei Dutzend Tote zu beklagen. Radegunde ließ weitere Krankenhütten einrichten. Jeden Morgen wurden die Leichen herausgetragen und so Platz für Neuerkrankte geschaffen. Radegunde, Agnes und Besa wechselten sich mit anderen Frauen in der Pflege ab. Sie hatten inzwischen begriffen, dass keine Heilung zu erwarten war, wenn der Husten einsetzte.
Baudins Sohn und zwei Stallknechte waren lediglich von den Beulen und dem Fieber befallen worden, sie erholten sich langsam. Doch den meisten war dieses Glück nicht beschieden. So starb Fleda vor ihren Augen, heftig beweint von ihrer Mutter, die sich am nächsten Tag auch mit Fieber niederlegte und nur wenige Tage später ihrer Tochter folgte.
Jeden Morgen lief Radegunde in die Kapelle, warf sich vor dem Altar auf den Boden und flehte den Gekreuzigten an, es möge endlich ein Ende haben. Zehn Tage nach dem Ausbruch der Pest kam Chlothar von der Synode in Orléans zurück. Sie wusch sich hastig die Hände und ging zur Halle, um ihm zu berichten.
Er saß mit hängenden Schultern an der Tafel und ließ sich Wein bringen. Sein Lederwams war mit Staub überzogen, Gesicht und Haare schmutzig und verschwitzt. Medardus, der ihn begleitet hatte, saß neben ihm. Er wirkte nicht minder erschöpft von dem langen Ritt. Einige seiner Grafen und Vikare sowie der Hofmeister standen erwartungsvoll um die beiden herum.
„… ja, der Einzige, der sich weigert, ein Drittel seiner Einkünfte an mich zu zahlen, ist der Bischof von Tours!“, ereiferte sich Chlothar.
„Injuriosus?“, fragte Baudin.
Chlothar nickte und wischte sich den Wein von den Lippen. „Verflucht soll er sein! Alle anderen haben treu und brav unterzeichnet.“
„Injuriosus hat schon immer mehr gewagt als die anderen Bischöfe!“, fügte Medardus hinzu.
Chlothar warf ihm einen finsteren Blick zu. „Du setzt Wagemut mit Ungehorsam gleich?“
Medardus zog den Kopf ein, konnte aber trotzdem nicht an sich halten, zu erwidern: „Die Kirche musste noch niemals Steuern zahlen, die Bischöfe sind zu Recht empört!“
Chlothar ließ sich nachschenken. Zu Medardus‘ Glück entdeckte er jetzt Radegunde und hob die Augenbrauen.
„Was ist passiert? Du siehst erschöpft aus!“
„Wir haben den schwarzen Tod am Hof!“
Er nickte, als wäre ihm das nicht neu. „Wir hörten in Orléans schon von dieser Krankheit, sie nannten sie dort Geißel Gottes. Sie soll aus dem Süden kommen, aus dem Oströmischen Reich. Ganze Landstriche wurden dort von ihr entvölkert. Selbst Kaiser Justinian soll erkrankt sein.“ Er kratzte sich den Bart. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Krankheit so schnell hier ist. Gibt es Tote?“
Sie hob die Arme. „Heute früh waren es 34, aber es werden noch mehr.“
Betroffen sah er auf. „Bei Gott, so viele? Sollten wir den Hof verlassen?“
„Ich bleibe!“, entgegnete Radegunde sofort. „Du könntest Sigibert und einige andere Kinder wegbringen lassen.“
Er nickte resigniert. „Das wäre zu überlegen. Ich befürchte, du hältst dich bei der Pflege der Kranken nicht zurück? Als Königin solltest du …“
„Ich kann – gerade als Königin – nicht untätig zusehen, wie die Menschen sterben!“ Ihre Augen sprühten Funken.
„Es gibt genug Leute hier am Hof, die sich in der Krankenpflege auskennen, Baudins Frau zum Beispiel! Warum lässt du sie nicht diese Arbeit tun?“ Chlothars Argumente klangen nur noch halbherzig. Er diskutierte nur noch, um Recht zu behalten.
Trotzdem fühlte Bischof Medardus sich genötigt, für sie Partei zu ergreifen. „Herr, das Werk Eurer Frau Gemahlin ist äußerst gottgefällig!“
„Ja, ja, ich weiß. Sie sichert uns allen das ewige Leben!“ Er winkte gelangweilt ab, für ihn war das Thema anscheinend erschöpft.
Beim Abendessen hörte sie, wie er den Bischof fragte, ob diese Pest wohl ein Zeichen Gottes sei.
„Gewiss ist sie ein Zeichen des Herrn, nur wir müssen es richtig deuten!“, entgegnete Medardus vorsichtig, da er nicht wusste,
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