Radegunde von Thueringen
vermählt und hat ihm bereits einen Sohn geboren.“
„Sieh an! Die kleine Rodelinde ist Königin der Langobarden!“ Radegunde lächelte. Es war schwer vorstellbar, dass das stille Mädchen eine erwachsene Frau sein sollte. „Sie war etwa einen Sommer jünger als ich. Natürlich muss sie längst verheiratet sein! Und Justinian sichert sich so die Unterstützung der Langobarden. Doch sag, was ist mit Amalafrid?“ Ihr Herz machte einen kleinen Satz.
„Er ist … Feldherr unter Justinian.“ Giso versuchte, einen beiläufigen Ton anzuschlagen, doch es gelang ihm nicht.
„Feldherr? Er führt eine Hundertschaft, ja?“ Ihre Stimme jubilierte. Ihren Amalafrid als Anführer einer Gruppe starker Krieger, das konnte sie sich gut vorstellen.
„Nun ja, man sagt, er sei … der oberste Heerführer des Kaisers.“ Jetzt war es heraus.
Radegunde blieb abrupt stehen. „Er führt das Heer des Kaisers! Des Kaisers vom Oströmischen Reich! Aber hat nicht Belisar Rom erobert …?“
„Der ist in Ungnade gefallen. Der Kaiser ließ ihn blenden, jetzt irrt er als Bettler durch Konstantinopel.“
Radegunde hatte nicht zugehört. Etwas anderes schoss ihr durch den Kopf, das, was Giso bereits befürchtet hatte. „Aber dann könnte er doch … Warum ist er dann nicht längst …?“
Sie verstummte, scheute sich davor, auszusprechen, was auf der Hand lag.
„Du vergisst, dass er dem Kaiser gehorchen muss. Und der wird sich hüten, gegen die Franken zu ziehen. Das Oströmische Reich ist längst nicht mehr so stark, wie es einmal war. Justinian hat mit Childebert einen Friedensvertrag geschlossen.“
„Ja, und Theudebald führt ständig Krieg mit ihm. Seit er vor acht Jahren das Erbe seines Vaters Theudebert antrat, fordert Justinian von ihm die Räumung Italiens!“
Sie schwieg eine Weile und kämpfte mit ihren Gefühlen. Giso blieb still an ihrer Seite. Eine winzige Hoffnung reckte sich in ihr wie ein Keimling ins Licht. „Vielleicht greift Justinian doch noch an? Thüringen gehört doch zu Theudebalds Gebiet! Amalafrid wird ihm bestimmt dazu raten!“
Ihr Gegenüber seufzte. „Radegunde, du bist mir immer eine gute Freundin gewesen, ich will ehrlich zu dir sein. Wenn Amalafrid Interesse daran gehabt hätte, dann wäre das alles bereits geschehen. Amalaberga und ihre Kinder sind von Anfang an nicht wie wirkliche Geiseln behandelt worden! Er hat dort Einfluss. Und er denkt sicher gar nicht mehr an Thüringen!“
„Das ist nicht wahr!“ Es klang kläglich.
„Auch politisch ist das völlig unsinnig. Warum sollte Justinian ein Interesse an Thüringen haben? Das Reich der Goten oder Italien, danach streckt er seine Finger aus. Thüringen kann er nicht halten, es ist viel zu weit entfernt von Konstantinopel.“ Er blieb stehen und sah sie an. „Begreife endlich, dass dein Vetter nicht kommen wird. Jetzt nicht und auch später nicht.“
In ihrem Inneren hatte sie das längst gewusst. Es wurde Zeit, dass sie den Gedanken zuließ. Sie nickte und hob ihr Gesicht gen Himmel. Die Sterne schwammen in Tränen. ,Vergiss Amalafrid!‘, dachte sie.
„Das ist noch nicht alles, nicht wahr?“, fragte sie nach einer Weile. Sie hatten inzwischen die Lagerhäuser passiert und gingen langsam den Weg zurück.
„Nein. Bertafrid ist zwar dagegen, dass du es erfährst. Er meint, es würde dich gefährden. Aber ich finde, du hast das Recht, es zu wissen.“ Er senkte die Stimme noch weiter. „Es wird einen Aufstand geben. Im Zentrum von Thüringen, in der Gegend rund um die Tretenburg bis hinauf zu den heiligen Bergen. Es ist alles von langer Hand vorbereitet, noch ehe die Blätter sich färben, schlagen sie los.“
„Wer? Wer schlägt los?“ Sie schrie es fast und packte ihn am Handgelenk.
„Schscht! Wenn uns wer hört, sind wir beide verloren!“ Er sah sich erschrocken um.
Sie zog ihn in eine dunkle Ecke zwischen zwei Lagerhäusern. „Entschuldige! Ich bin nur so sehr verwirrt, ich kann nicht mehr klar denken.“ Sie rieb sich die Stirn. „Was wird geschehen?“
„Die Söhne der Geschlagenen von damals haben heimlich Waffen geschmiedet und an geheimen Orten deponiert. Die Alten haben ihnen gezeigt, wie man damaszierte Schwerter herstellt. Die jungen Männer haben – auch streng im Verborgenen natürlich – kämpfen gelernt. Und das Beste: Sie haben sich mit den Sachsen verbündet!“ In seiner Stimme schwang leiser Triumph.
„Aber die Sachsen sind doch damals selbst über uns hergefallen!“
„Du weißt, dass
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