Radegunde von Thueringen
schluchzte auf und senkte den Kopf. „Es tut mir leid! Ich schäme mich wirklich. Theudebald hat mir so viel Gutes von dir berichtet, und jetzt …“
Radegunde schwieg und ging zur Tür.
„Nein, bitte! Nicht wieder dorthinein! Ich möchte lieber …“ Sie hob die Schultern.
„Wie alt bist du eigentlich?“, fragte Radegunde.
„Achtzehn.“
„Hast du Theudebald geliebt?“
„Ich kannte ihn noch nicht lange, aber er war nett zu mir. Er war …“ Sie brach ab und schwieg.
,Was mache ich nur mit ihr?‘, überlegte Radegunde fieberhaft, dann fielen ihr die Zwillinge ein.
„Komm, ich will dir etwas Schönes zeigen!“ Sie brachte sie zu Salomé. Wie erwartet war das Mädchen fasziniert von den beiden Winzlingen.
Radegunde erklärte Salomé mit wenigen Worten, was sie wissen musste, ließ das Mädchen bei ihr zurück und lief zur Kapelle. Hier hoffte sie, Medardus zu finden. Tatsächlich kniete der Bischof vor dem Altar und war in Andacht versunken. Still ging sie einen Schritt hinter ihm in die Knie und versuchte, ebenfalls zu beten. Doch die nötige Ruhe wollte sich nicht einstellen. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab. Was sollte nur werden?
Medardus erhob sich schließlich und wandte sich um. Seine gütigen Augen musterten sie voller Mitgefühl. „Ich nehme an, dass Beten allein uns nicht weiterhilft, meine Liebe. ,Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott‘, sollte unsere Devise lauten.“
„Aber was können wir tun?“
„Ich werde an die Bischofsversammlung schreiben und um Rat bitten. Sie werden ihm ganz sicher diese Heirat verbieten. Niemand wird sich finden, der die beiden traut. Damit lädt jeder Geistliche große Schuld auf sich.“ Er legte ihr seine Hand auf die Schulter. „Kopf hoch, Radegunde. Vertrau auf Gott!“
„Und auf die Bischöfe“, ergänzte sie sarkastisch. „Die sind ihm sicher nicht wohlgesinnt, seit er sie mit Steuern belegt hat.“
„Das ist wohl wahr“, nickte Medardus versonnen. Dann nahm er ihre Hand. „Ich verabschiede mich. Ich will das Schreiben noch heute aufsetzen, es gilt keine Zeit zu verlieren.“ Er neigte sein Haupt. Die Tür fiel knarrend hinter ihm zu.
Sie schloss die Augen und atmete die Ruhe. Ein kleines Flämmchen knisterte unter dem Kreuz, sonst war kein Laut zu hören. Und plötzlich schien es ihr, als sehe der Gekreuzigte ihr direkt in die Augen. Sein Blick war warm und auffordernd. Sie spürte ihn wie eine leichte Berührung auf ihrem Gesicht. Langsam kniete sie nieder und faltete die Hände.
Es dauerte zehn Tage, dann ritt ein schneller Bote mit der Antwort der Bischofsversammlung in Soisson ein. Chlothar sprach nie darüber, was in dem Schreiben stand. Doch am Tag darauf verkündete er, dass er gedenke, Waldarada mit dem Herzog Garibald von Baiern zu verheiraten.
,In seiner Not ist ihm sogar eine äußerst kluge Lösung eingefallen, denn Baiern grenzt ans Byzantinische und an das Reich der Langobarden. Somit verpflichtet er sich dem Baiernherzog gegenüber und hat Unterstützung gegen beide Völker‘, überlegte Agnes.
Die Frauen saßen um Radegunde in der Mittagssonne. Salomé stillte ihr kleines Mädchen und Waldarada wiegte mit einem melancholischen Lächeln den Jungen. Einen Steinwurf entfernt spielten die größeren Kinder Verstecken.
„Die Kleinen werden mir sehr fehlen!“, seufzte sie. „Ihr natürlich auch“, fügte sie hastig mit einem Blick in die Runde hinzu.
Agnes hob die Arme. „Hauptsache, du wirst glücklich in diesem Baiern.“
„Nur die Berge trennen mich dann noch von meiner Heimat!“, antwortete das Mädchen.
„Wann wirst du reisen?“, fragte Salomé.
„Sie sollte lieber heute als morgen fahren!“, schaltete sich Radegunde ein. „Chlothar ist sehr wankelmütig.“
Vom Haupttor Soissons her drangen Geschrei und Hufschläge an ihre Ohren. Radegunde stand auf und reckte den Hals. Ein schneller Bote preschte heran und brachte sein schaumbedecktes Pferd in einer Staubwolke vor dem Königshaus zum Stehen. Er sprang ab und rannte die Treppen hinauf.
„Gütiger Jesus, lass es eine gute Nachricht sein!“, murmelte sie und lief los.
Dem Zustand des Pferdes nach zu urteilen, war der Bote bis an seine Grenzen gegangen. Seine Flanken zitterten, es blutete aus dem Maul. Sie rief nach einem Pferdeknecht. „Kümmere dich um das Tier, aber sei sorgsam! Du siehst selbst, was mit ihm los ist.“
Dann betrat sie den Saal. Der Bote stand schwer atmend in der Nähe des Hochsitzes, Chlothar selbst war noch nicht
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