Radieschen von unten
Gerichtsmedizin bringen.«
»Wo ist die Zeugin, die die Tote gefunden hat?« Alex wandte sich an Kunz, der sich im Hintergrund gehalten hatte. Elfie war verschwunden.
»Im Chefbüro. Miriam Stocker. Putzfrau. Der Kollege ist bei ihr«, schnurrte Kunz herunter.
Während sie hinüberging, hörte Alex schon von draußen eine lebhafte Unterhaltung, die abrupt verstummte, als sie den Raum betrat. Der junge Polizist sprang sofort auf.
»Wir kennen uns, weil unsere Kinder in dieselbe Kita gehen«, erklärte er entschuldigend. »Jetzt werde ich hier ja nicht mehr gebraucht.«
Er eilte hinaus.
Alex nahm seinen Platz auf dem Biedermeiersofa neben der jungen Frau ein, die ihr freundlich und offen zulächelte.
»Frau Stocker, Sie scheinen nicht besonders betroffen vom Ableben Ihrer Chefin zu sein«, eröffnete Alex das Gespräch.
»Da bin ich sicher nicht die Einzige. Die Knörringer war ein richtiges Biest und hat jedem in ihrer Umgebung das Leben schwer gemacht, sogar ihrem eigenen Sohn. Wie sie den gegängelt hat, das war manchmal nicht mit anzusehen. Ohne sie sind wir alle besser dran. Das mag gefühllos klingen. Aber im Gegensatz zu vielen unschuldigen Menschen, die aus dem Leben gerissen werden, hat es hier zur Abwechslung einmal die Richtige getroffen.«
Alex war erstaunt über diese entwaffnende Ehrlichkeit. Und unschuldig war Juliane Knörringer wohl tatsächlich nicht gewesen, wenn sich Elfies Recherchen zum Tod Josef Wilferts als korrekt erwiesen.
»Jetzt erzählen Sie mir bitte genau, wann und wie Sie Frau Knörringer gefunden haben«, sagte sie.
»Ich bin gegen elf Uhr gekommen, durch den Hintereingang an der Remise, für den ich den Schlüssel habe. Sobald ich im Flur war, habe ich laute Musik gehört und bin gleich in die Halle gelaufen, um sie abzustellen.«
»Was für Musik?«, fragte Alex.
»Es klang sehr melancholisch. Ich glaube, es war Tango. Dazu tanzen die Knörringers doch immer.«
»Sie haben also die Musik abgedreht. Und dann?«
»Dann habe ich mich näher umgesehen, ob nicht doch jemand da ist. Als ich Frau Knörringer in einem der Särge entdeckt habe, dachte ich zuerst, sie würde nur ihren Rausch ausschlafen. Ich habe laut mit ihr geredet, sie schließlich angefasst.«
Miriam Stocker erschauderte. Sie rieb sich über die Arme, an denen sich eine Gänsehaut gebildet hatte. »Sie war schon ganz kalt. Dann bin ich zum Telefon und habe die Notrufnummer gewählt.«
»Hat Frau Knörringer viel getrunken?«, wollte Alex wissen.
»Das kann man wohl sagen. Samstags nehme ich immer das Altglas zum Container mit. Vorher muss ich in den Kriechkeller. Dort versteckt sie die leeren Flaschen, damit Carlos nicht merkt, was für ein Schluckspecht sie ist. Denn er sorgt sich sehr um ihre Gesundheit. Deswegen habe ich auch als Einzige außer Frau Knörringer einen Schlüssel für den Kriechkeller.«
»Haben Sie heute schon mit Herrn Knörringer gesprochen?«, fragte Alex.
»Natürlich bin ich gleich in den ersten Stock gelaufen und habe an der Wohnungstür geläutet, dann meinen Schlüssel benutzt. Ich putze nämlich auch die Privatwohnung. Aber es war niemand da.«
Alex erhob sich. »Danke, Frau Stocker. Das ist im Moment alles. Lassen Sie uns bitte sämtliche Schlüssel vom Haus hier.«
Als sie in den Flur trat, stand Elfie an der offenen Tür zur Halle und beobachtete die inzwischen eingetroffene Tatortgruppe bei der Arbeit.
»Ist das aufregend!«, sagte Elfie. »Aus nächster Nähe habe ich so etwas noch nie gesehen. Und die tragen tatsächlichweiße Overalls, so wie im Fernsehen. Sogar Kapuzen haben sie über dem Kopf.«
Alex begrüßte einen der Kollegen und ließ sich Handschuhe geben.
»Frau Ruhland, kommen Sie.«
Sie berührte Elfie leicht am Arm. »Jetzt zeigen Sie mir den Kerzenleuchter!«
Nur widerstrebend schien Elfie ihren Blick vom Geschehen in der Halle zu lösen. »Aber wir haben keinen Schlüssel für den Kriechkeller. Ich habe Herrn Knörringer schon auf dem Handy angerufen. Da hat sich nur die Mailbox gemeldet.«
»Das Problem ist bereits gelöst«, versicherte Alex.
In dem Moment kam Miriam Stocker mit den Schlüsseln. »Dieser hier ist für den Kriechkeller.« Sie zeigte auf ein großes, verschnörkeltes Exemplar.
»Dann brauche ich sicher auch Handschuhe, oder?«, fragte Elfie eifrig.
Alex tat ihr den Gefallen und besorgte ein zweites Paar.
»Na, dann wollen wir mal«, sagte Elfie fröhlich und ging voran.
Alex folgte ihr den Flur entlang, eine Treppe hinunter,
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