Radieschen von unten
würde allerdings niemand erfahren. Dieses Wissen nahm Juliane Knörringer mit ins Grab. Vielleicht hatte sie auch aus Notwehr gehandelt. Für die Polizei war der Fall damit erledigt, auch wenn Alex persönlich diesen Abschluss als unbefriedigend empfand.
Als Nächstes nahm sie den Bericht der Kriminaltechniker über den Fundort von Juliane Knörringer zur Hand. Wieder blätterte sie durch die vielen Seiten. Keine Spuren einesgewaltsamen Eindringens oder einer Auseinandersetzung. Jetzt kam die Analyse des Rotweins. 14,5 Prozent Alkohol. Ganz schön stark, dachte Alex, vor allem wenn man eine ganze Flasche davon trank. Aber sterben konnte man daran wohl nicht.
Nachdenklich ließ sie die Papiere sinken, die ihr keinen Aufschluss über die Todesursache gaben. Entschlossen griff sie zum Hörer und wählte die Nummer der Gerichtsmedizin.
»Arnold«, bellte es am anderen Ende.
»Hier Lichtenstein. Ich brauche dringend die Ergebnisse der Obduktion von Juliane Knörringer.«
»Ich habe zu tun. Mein Bericht ist schon an die Staatsanwaltschaft gegangen.«
»Könnten Sie mir bitte trotzdem in zwei Sätzen das Wichtigste mitteilen?«, bat Alex.
»Meine Güte, warum habt ihr es immer so eilig? Davon wird die Frau auch nicht wieder lebendig«, stöhnte Arnold. »Also gut. Todesursache war ein ischämischer Hirninfarkt aufgrund von Mangeldurchblutung. Die Tote litt an arterieller Hypertonie und hatte eine BAK von 1,7. Da haben Sie Ihre zwei Sätze. Auf Wiederhören!«
»Halt«, rief Alex in den Hörer. »Jetzt übersetzen Sie mir bitte das Ganze noch auf Deutsch.«
Alex konnte förmlich sehen, wie Arnold am anderen Ende zufrieden lächelte. »Dann noch einmal zum Mitschreiben: Schlaganfall, chronisch erhöhter Bluthochdruck, 1,7 Promille Alkohol im Blut. Damit ist man zwar noch zum Führen von Schiffen berechtigt, aber bei dem vorliegenden Krankheitsbild kann einem so viel Alkohol leicht den Rest geben. Und jetzt entspannen Sie sich, Mädel! Hier liegt kein Mord vor, außer jemand hat die gute Dame mitschönen Worten überredet, so viel zu trinken. Zwangsweise eingeflößt hat ihr jedenfalls niemand etwas. Dafür gibt es keinerlei Anzeichen. Die Wunde am Hinterkopf stammt von einem der Sargscharniere und war nicht tödlich. Wahrscheinlich ist sie darauf gefallen. Und jetzt muss ich wieder an die Arbeit.«
Langsam ließ Alex den Hörer sinken und legte auf.
Juliane Knörringer war eines natürlichen Todes gestorben. Damit war auch dieser Fall geklärt, und Elfie Ruhland war unschuldig. Darüber war Alex erleichtert, andererseits schämte sie sich ein wenig, dass sie Elfie wieder einmal zu Unrecht verdächtigt hatte. Aber lieber so als umgekehrt.
Alex sprang auf. Sie musste Brause über die neuesten Entwicklungen informieren.
Sie lief über den Flur, klopfte an Brauses Tür und trat sofort ein. Drinnen stoben hektisch zwei Köpfe auseinander. Alex traute ihren Augen kaum. Es waren Brause und Anneliese Neumann, die sie aus trauter Zweisamkeit aufgeschreckt hatte.
»Anneliese hat mir etwas zu essen vorbeigebracht«, erklärte Brause stockend und rieb sich verlegen das Kinn.
Anneliese Neumann öffnete ihre Tasche und holte zwei Plastikbehälter heraus. »Wie Horst sich bisher ernährt hat, konnte ich nicht tatenlos mit ansehen«, plauderte sie munter drauflos. »Dieser krasse Umschwung von Leberkässemmeln auf völlig fettfreie Kost ist ihm nicht gut bekommen. Gesund ist nur eine ausgewogene Ernährung. Heute gibt es Kalbsschnitzel mit Nudel-Broccoli-Salat.«
»Dann will ich nicht stören«, sagte Alex. »Guten Appetit, Chef. Komm doch nachher bei mir vorbei.«
Erst als sie wieder in ihrem Büro war, erlaubte sie sich einbreites Grinsen. Brause hatte doch tatsächlich mit Anneliese Neumann angebandelt, oder vielleicht verhielt es sich eher andersherum. Jedenfalls waren die beiden bereits per Du. Und die Ökotrophologin hatte offenbar keine Chance gegenüber Anneliese Neumanns Kochkünsten. Das erklärte auch, warum Brause in letzter Zeit deutlich bessere Laune hatte. Er bekam wieder etwas Vernünftiges zwischen die Zähne. Alex gönnte es ihm von ganzem Herzen.
Elfie, die am Sonntag voller Eifer Carlos Knörringer zugesagt hatte, sich um die Wiederbeschaffung von Pelz und Schmuck zu kümmern, war sich am Dienstagmorgen nicht mehr so sicher, ob das eine gute Idee gewesen war. Selbstlos zwar, aber doch recht beschwerlich.
Die Änderungsschneiderei, die sie mit Hilfe des Stadtplans nach einigem Suchen in einem
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