Radikal führen
um Führungsstile und Techniken, die je nach Sichtweise mehr oder weniger sympathisch klingen. Von der Überbetonung des Führungsstils sich zu verabschieden scheint aber dringend erforderlich. Wir müssen bei der Führung vom Mittel zum Zweck kommen. Was ist der Zweck der Führung?
Die konzentrierteste Antwortet lautet: das Überleben des Unternehmens zu sichern. Ein Unternehmen strebt – wie alle sozialen Systeme – nach Selbsterhaltung. Es geht vorrangig darum, weiter zu existieren, weiter »mitspielen« zu dürfen. Und dafür sollen Führungskräfte – Sie! – einen Beitrag leisten.
Um zur Überlebenssicherung des Unternehmens beizutragen, muss mindestens eine Voraussetzung gegeben sein: Die Führungskraft muss mehr leisten, als sie kostet. Wir vergessen oft, dass wir nur dann eine Existenzberechtigung im Unternehmen haben, wenn das der Fall ist. Wenn unsere Produktivität höher ist als unser Preis für das Unternehmen. Oder, um es noch grundsätzlicher auszudrücken: Wenn wir mehr »geben« als »nehmen«. Man darf mit Recht bezweifeln, ob dieser Grundsatz überall befolgt wird.
Sie mögen vielleicht einwenden, das »Überleben des Unternehmens« sei für Sie keine relevante Kategorie, Sie seien kein Mitglied der Geschäftsführung, Ihnen seien Ihre Ziele präzise vorgegeben. Das ist sicher zu berücksichtigen. Aber wenn wir uns auf das Wesentliche reduzieren, auf das Kerngeschäft der Führung, dann ist dies auf allen Führungsebenen nahezu gleich. Unterschiedlich ist nur die Reichweite.
Und einen Beitrag zur Überlebenssicherung zu leisten – das werden Sie sicher für sich reklamieren. Was immer das sein mag: Umsatz, Wachstum, Kostenreduktion, Temposteigerung, Senkung des Krankenstandes, geringere Fluktuation, kürzere Lieferfristen.
Das Überleben sichern – diese sehr allgemeine Antwort auf die Frage nach dem Zweck der Führung lässt sich schlecht operationalisieren. Woran soll man Ihren Beitrag zur Überlebenssicherung festmachen? An irgendeinem Kriterium muss man ablesen können, ob Sie Ihren Job machen.
Spielen wir einige von ihnen durch. Dabei gehen wir zunächst negativ vor – und schauen uns also an, wofür Sie das Unternehmen nicht bezahlt.
Dafür werden Sie nicht bezahlt
Zum Beispiel: für Führung! Man stößt auf eine der größten Merkwürdigkeiten der Managementtheorie, wenn man sich klarmacht, dass Führungskräfte für alles Mögliche bezahlt werden, aber nicht für Führung. Führung gibt es nämlich nicht als »Ding an sich«. Auch nach jahrelangem Ausspähen ist mir, so sehr ich mich auch mühte, Führung als »Ding an sich« noch nicht begegnet. Sollte es mir über den Weg laufen, würde ich natürlich unverzüglich die Gemeinschaft der Interessierten informieren, aber in naher Zukunft wird wohl kaum damit zu rechnen sein. Nein, im Ernst: Ich habe noch niemanden gesehen, der wegen »guter Führung« befördert wurde. Wegen »guter Führung« wird man allenfalls entlassen. Auf Bewährung.
Selbst wenn Sie zögern, dieser Sichtweise zuzustimmen, vielleicht überzeugt Sie dies: Bei einer Schweizer Bank wurden Führungskräfte gefragt: »Werden Sie für Ihre tägliche Führungsarbeit anerkannt und belohnt?« Knapp 70 Prozent der Befragten verneinten diese Frage überwiegend oder vollständig. Die Konsequenz daraus ergab sich als Antwort auf eine andere Frage: »Verbringen Sie den größten Teil Ihrer Arbeitszeit mit Führungsaufgaben oder Sachaufgaben?« Deutlich über 70 Prozent gaben an, sich größtenteils mit Sachaufgaben zu beschäftigen. Das kann dann vor dem Hintergrund der ersten Antwort nicht verwundern. Offenbar gibt es beim Thema Führung eine tiefe Kluft zwischen der guten Absicht und dem operativen Alltag. Nein, Führung wird nicht für Führung bezahlt.
Fragen wir also weiter: Werden Sie für Ihre Teamfähigkeit bezahlt? Ich kenne zwar keine Stellenanzeige, in der nicht Teamfähigkeit als unabdingbare Einstellungsvoraussetzung ausgelobt wird. Aber die Unternehmenswirklichkeit spricht eine andere Sprache. Oder haben Sie schon mal gehört, dass ein Team befördert wurde?
Weiter, was ist mit Arbeitszeit? Werden Sie dafür bezahlt? Sicher nicht. Der Verkauf von Arbeitszeit dominiert zwar noch die alten Schornstein-Industrien, aber ein rein quantitativer Arbeitsbegriff gehört ins Archiv. Wir vergessen das oft, wenn wir mechanisch morgens zur Arbeit gehen, angestellt sind und einen festen Arbeitsvertrag haben – was immer heute »fest« bedeutet.
Verkaufen
Weitere Kostenlose Bücher