Radikal führen
Beispiel für »kooperativ«, werden aber von ihren Mitarbeiter häufig für autoritär gehalten. Entsprechend leicht ist es, jemandem »Führungsschwäche« vorzuwerfen. Eben, weil jeder unter »Führung« etwas anderes versteht, selbst wenn man sich auf einschlägige Formulierungen einigt.
Zu zwei: Es gibt bislang keine einzige Studie weltweit, die einen kausalen Zusammenhang zwischen »guter Führung« und Unternehmenserfolg nachgewiesen hätte – so sehr ich mir das auch wünschte. Beobachtet wurden gewisse Korrelationen, aber eine ursächliche Verbindung bleibt bislang Wunschdenken. Ein Grund (unter vielen): Der Zufall spielt für den Erfolg eine erhebliche Rolle. Was wäre aus Bill Gates geworden, wenn IBM den Vertrag über die Erstellung eines Betriebssystems für die neuen Personalcomputer nicht mit Microsoft geschlossen hätte? Durch einen ganz unwahrscheinlichen Zufall hatte sich sein Konkurrent zuvor selbst aus dem Rennen geworfen. So war der Weg frei für Gates’ MS-DOS. Ungeklärt ist zudem die Frage: Führt gutes Führungsverhalten zum Unternehmenserfolg, oder erlaubt Unternehmenserfolg gutes Führungsverhalten?
Zu drei: In einer pluralistischen Gesellschaft müssen Unternehmen offen sein für unterschiedliche Werte, Traditionen und Gesinnungen. Eine zu »spezifische« Unternehmenskultur wäre ein Wettbewerbsnachteil. Deshalb sollten Unternehmen sich darauf konzentrieren, im Rahmen sicherer Eigentumsrechte und eines freien Wettbewerbs ihre ökonomische Kernfunktion zu erfüllen. Sie sind keine Kirchen. Und wenn eine Führungskraft erfolgreich ist und sich dabei innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegt, dann besteht kein Grund, korrigierend einzugreifen. Es sei denn, Sie sind aus der Abteilung »Gesinnungsnötigung«. Diese fördert Ja-Sager-Kultur, Anpassertumund Gesichtslosigkeit. Sie stützt die unselige Tendenz, berechtigte Individualinteressen gesinnungsethisch zu unterlaufen.
Soll also »gute Führung« nicht ein leerer Begriff bleiben, dann wäre doch das die entscheidende Frage: Bin ich als Manager bereit und berechtigt, betriebswirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen, um einer bestimmten Idee von »guter« Führung zu entsprechen? Wer eine unterscheidbare Sonderstellung dieses Wertes reklamiert, der muss fordern, dass auf Möglichkeiten des Geldverdienens verzichtet wird.
Das kann mit Wirklichkeitssinn niemand fordern. Das darf – übergangsweise – auch nur ein Eigentümer-Unternehmer tun; es steht ihm frei, sein eigenes Geld zu verbrennen. Ein Manager darf das nicht: Er verwaltet das Geld anderer Leute. Es wäre ein Handeln zu Lasten Dritter; es wäre, spreche ich es aus: kalte Enteignung. Langfristig aber zählt für den Unternehmer wie für den Manager der kalkulierbare Moral-Ertrag. Alles andere ist zeitgeistliche Schminke.
Unternehmen sind Veranstaltungen zur Erzeugung und zum Vertrieb von Gütern und Dienstleistungen. Dabei gilt zwingend das ökonomische Prinzip. Der Kern von Führung ist dabei die Überlebenssicherung dieser Veranstaltung. Es geht darum, den Bestand und die dauerhafte Rentabilität des Unternehmens zu sichern. Ein Unternehmen ist dann gut geführt, wenn es gute Produkte produziert und diese zu fairen, marktgebildeten Preisen anbietet – und gerade in letzter Hinsicht sind nicht wenige Unternehmen (weil subventioniert) in Deutschland schlecht geführt. Es bleibt also bei der unternehmerischen Verantwortung innerhalb des rechtlichen Rahmens. Gute Führung ist das, was genau das leistet.
Es gibt nur erfolgreiche und nicht erfolgreiche Führung
Ich will das bisher Gesagte auf den Punkt bringen: Es gibt keine »gute« Führung; es gibt nur »erfolgreiche« Führung – oder eben »nicht erfolgreiche«. Erfolg ist wichtiger als Führungsstil. Es gibtauch kein »richtiges« Management, das unaufhaltsames Vorwärtskommen garantiert. Es gibt auch keine »Führungspersönlichkeit«, die Merkmale aufweist, die gleichsam »automatisch« die Mitarbeiter energetisieren. Im Gegenteil: Beim »Evergreen Project« unter Leitung von Nitin Nohria (2009), bei dem 220 Erfolgsfaktoren des Managements bei 160 Unternehmen zehn Jahre lang beobachtet wurden, lautete das Ergebnis: Es besteht kein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen der Top-Manager und dem wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen. Es ist irrelevant, ob der Geschäftsführer charismatisch, bescheiden, visionär, technokratisch, selbstsicher, zurückhaltend, vorbildlich oder authentisch
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