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Radio Heimat

Radio Heimat

Titel: Radio Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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Richtungen übertreiben: Meine eindrücklichste Erinnerung in dieser Hinsicht ist noch immer die auf meinem Sofa liegende zweiundzwanzigjährige Ute H., die sich in regelmäßigen Abständen von etwa vier Minuten schlafend in eine auf ihrem Bauch stehende Spülschüssel erbricht. Haben Sie bisher gedacht, Spinatkotze sei ekelhaft? Nun, dann sollten Sie mal sehen, was dabei herauskommt, wenn jemand vorher etwa fünf Eier zu zwei Litern Fürst Metternich verdrückt hat.
    Nach dem Abflauen der Osterpartys erlahmte mein Interna esse für den Stadtpark einige Jahre. Heute gehe ich, nach fast drei Jahrzehnten Pause, wieder zum Entenfüttern und beobachte, wie der Thronfolger die Enten mit besonders harten Brotkanten zu erlegen versucht. Manchmal stehen wir auch einfach nur da und sehen dem Eichhörnchen in Diensten der Stadtverwaltung zu, wie es die Bäume hinaufwetzt.
     

Once upon a Sendeschluss
    Eine beliebte Freizeitbeschäftigung war und ist auch bei uns in der Gegend das Fernsehen. Ich gehöre der ersten Generation an, die vom TV sozialisiert wurde, auch wenn sich unsere Fernseherlebnisse gegen das, was den jungen Leuten heute so geboten wird, geradezu läppisch ausnehmen. Ganze Begriffe sind aus der deutschen Sprache verschwunden, weil sich das Fernsehen verändert hat.
    So traf ich beim fünfundvierzigsten Geburtstag einer guten Freundin am Büfett auf ihren sechzehnjährigen Sohn. Über Buletten und Nudelsalat glitten wir in ein Gespräch über Gerichtsshows im Fernsehen und kurz darauf versuchte ich dem Bengel das ihm völlig unbekannte Wort »Sendeschluss« zu erklären. »Was soll das heißen, Sendeschluss?« -»Naja, nachts gab es kein Fernsehen.« Der Jungspund sah mich an, als müsste mein geistiger Anlasser mal wieder durchgepustet werden. Nein, es gab keine sexy Sportclips, und keine zeigefreudige Wuchtbrumme schnauzte einen an, damit man anrief und ihr unmögliche Autonamen mit oder ohne A nannte.
    Also fing ich an, dem Jungen zu erzählen, wie das früher war, in der Kreidezeit des Fernsehens, als man gerade mal drei Programme hatte, wenn überhaupt.
    Früher war Fernsehen, wenn ein älterer Herr mit einer dicken Hornbrille »Nein« sagte und dann fünf Mark in ein Schwein steckte. Heute ist Fernsehen, wenn schon nachmittags um drei eine Vier-Tonnen-Matrone in Leopardenleggings bekennt: »Ich hatte Sex mit meinem Kanarienvogel! Jetzt finde ich ihn nicht mehr wieder!«
    Damals, als die Telefone noch orange waren und die Waschbecken im Badezimmer dunkelgrün, gab es noch Fernsehen mit Gewissen: »Dalli Dalli«, donnerstags neunzehndreißig. Richtige Prominente wie Claus Wilcke alias Percy Stewart und Wolfgang Völz, der Butler von Graf Yoster, mussten in fünfzehn Sekunden sagen, was ihnen zum Thema »Topfpflanzen« einfiel. Mady Riehl sagte dann streng, aber charmant, sie müsse einmal »Blumenerde« streichen. Und Brigitte Xander sagte dann noch, was das alles in Schilling machte.
    Bei »Dalli-Klick« wurde hysterisch in den Apparat gebrüllt, weil man schon beim ersten Ausschnitt wusste, dass auf dem Bild nur das »Medium Terzett« sein konnte. Dazu spielte das Jochen Brauer Sextett. Oder Heinrich Riethmüller, der auch die deutsche Musik für das »Dschungelbuch« gemacht hatte. Am Ende wurde das erspielte Geld einer Familie mit vierzehn Kindern vermacht, deren Vater bei einem Arbeitsunfall beide Beine verloren hatte. Dann sahen meine Mutter und ich meinen Vater so ganz komisch von der Seite an, aber der schüttelte nur den Kopf.
    Sonntags lief eine meiner Lieblingsserien: »Bonanza« - toll. Ich wollte auch immer durch eine brennende Landkarte reiten, was mir später in der Schule einmal ziemlichen Ärger bereitete. Überhaupt die Cartwrights: die erste generationenübergreifende Männer-WG. Zwanzig Jahre, fast fünfhundert Folgen - und immer hatten sie die gleichen Klamotten an. Und die gingen nie aufs Klo. Und hatten nie etwas mit Frauen, waren aber immer auf der Ostweide. Damals gab es noch glückliche Kühe. Dwight Eisenhower sagte mal, als er schon nicht mehr Präsident war: »Die Cartwrights sind in Ordnung, die schießen nur von vorn!«
    Western stecken bis heute tief in mir drin. Auf Partys setze ich mich bei Polonaisen gern an die Spitze, nur um einmal ungestraft ausrufen zu können: »Mir nach, Männer!«
    Der eigentliche Fernsehgroßkampftag war aber der Samstag. Am frühen Abend lief eine Serie, die meines Wissens bis heute skandalöserweise nie wiederholt worden ist: »Das Haus am Eaton

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