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Radio Heimat

Radio Heimat

Titel: Radio Heimat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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Place«. Hier stimmten noch die sozialen Zuordnungen, oben die Bellamys, unten die Hudsons und die Rubys. Ich galt eine Zeit lang als pervers, weil ich ein wenig in Rose verknallt war. Naja, immer noch besser als in Mrs. Bridges.
    Kurz darauf kam die Sendung, die meine Generation bis ins Mark kulturell und ästhetisch versaut hat. Nein, nicht die »Hitparade«, obwohl das nah dran ist, sondern »Disco«. Hallofreundehalloiljalichtaus WRRROMM!spotan.
    In der »Disco« konnte man diametral einander gegenüberliegende Eckpunkte populären musikalischen Schaffens bewundern. Es gibt zum Beispiel eine Sendung, in der tatsächlich Deep Purple auftraten, und zwar in der legendären »Mach-II«-Besetzung, also mit Ian Gillan, Ritchie Blackmore, Jon Lord, Roger Glover und Ian Paice. Die rückten an mit Haaren bis zu den Knien und Sonnenbrillen, die vor den Augen festgewachsen waren, und spielten »Smoke on the Water« oder »Highway Star«, gingen dann in die Garderobe und trafen da auf - Gaby Baginski! GABY BAGINSKI! Mit Deep Purple in einer Sendung!
    Klammer auf: Überhaupt die Namen im Showbizz damals! Heute könnte man als »Gaby Baginski« nicht mal mehr einen Tisch im Restaurant reservieren. Und wahrscheinlich war das noch ein Künstlername. Da erhebt sich doch wohl die Frage, wie man real heißen muss, wenn man sich »Gaby Baginski« als Künstlernamen wählt. Oder Siw Inger! Siw! Wie sich das anhört! Na gut, die war Schwedin, aber »Siw« kann doch auch auf Schwedisch nichts Gesundes heißen! Klammer zu.
    Um viertel nach acht dann wirklich große Unterhaltung: »Am laufenden Band«, mit der einzigen männlichen Assistentin im deutschen Fernsehen: Heinz Eckner. In dieser Sendung wurden Spiele knapp über Vorschulniveau absolviert und am Ende saß jemand vor dem titelgebenden laufenden Band und musste sich Sachpreise einprägen, die darauf angefahren kamen. Alles, was man sich merken und später aufsagen konnte, durfte man dann mitnehmen. Die Kaffeemaschine, den Heimtrainer, das Waffeleisen. Und wenn der Kandidat oder die Kandidatin die Preise aufzählte, lag die halbe Familie hysterisch zuckend vor dem Fernseher und schrie: »DAS FRAGEZEICHEN! DAS FRAGEZEICHEN! WAS WILL DIE DENN MIT DEM GLOBUS? DAS FRAGEZEICHEN!« Hinter dem Fragezeichen steckte immer ein Überraschungspreis, und das war natürlich irrsinnig spannend.
    Und dann die Werbung! Wenn ein Haufen Leute in weißen Klamotten sich auf Heimtrainern abstrampelten, ohne zu schwitzen, dann wusste man fürs Leben: Banner bannt Körpergeruch. Männer waren immer im Einsatz. Zur Not liefen sie sich ein Loch in den Schuh, nur um an die Zigarette ihrer Wahl zu kommen.
    Frauen dagegen hatten echt Probleme. Wenn sie zum Beispiel den falschen Kaffee kochten, dann stand der Mann enttäuscht vom Frühstückstisch auf und murmelte: »Der Kaffee schmeckt mir nicht, ich trinke den im Büro!« Helfen konnte hier allein die Krönung - wunderbar. Denn: »Mühe allein genügt nicht!«
    Hart umkämpft war damals der Waschmittelsektor. Männer in Anzügen zogen durch deutsche Supermärkte und hielten vermeintlich unschuldigen Hausfrauen riesige, phallus-artige Mikrofone unter die Nase, damit sie sich zum richtigen Pulver bekannten, Omo oder Dash? »Fakt« warb mit einer geballten Faust. Später wurde ein Politmagazin beim Mitteldeutschen Rundfunk danach benannt.
    Gesellschaftliche Ächtung und familiäre Isolierung drohte Frauen auch, wenn sie den falschen Weichspüler benutzten. Und die Angst machte die Frauen paranoid. Ständig standen sie hinter der Tür und belauschten die Gespräche ihrer Lieben, und wenn sich mal jemand in seinen Sachen nicht »behaglich« fühlte, dann wuchs sich die Paranoia zu einer echten Verhaltensstörung aus: Die Frau stand plötzlich neben sich, nur etwas durchsichtig, und das durchsichtige Ich sagte zum verwirrten Ich: »Nicht jeder Weichspüler ist genau gleich. Nimm lieber Lenor!« Puh, wäre Muttern nicht so bekloppt, dass sie mit ihrem eigenen Spiegelbild sprach, hätte das richtig ernst werden können.
    Ich habe das alles geglaubt, damals. Ich dachte, wenn man die richtigen Schuhe anzieht, sieht man zwar aus wie ein schwarzer Lurch mit gelben Punkten, besteht aber dafür jedes Abenteuer bravourös. Man muss am Ende nur brüllen: »Salamander lebe hoch!«
    Ich dachte auch, wenn man Apfel-Shampoo benutzt, wachsen einem irgendwann Äpfel auf dem Kopf, wie der Frau im Fernsehen. Allerdings glaubte ich auch immer, Mars mache tatsächlich mobil. Ich

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