Radio Heimat
Rex Gildo, Roy Black, Costa Cordalis, Bernd Clüver, Erik Silvester, Bata Ilic. Von Letzterem dachte ich lange, er verkaufe eigentlich Schuhe, weil es an der Hans-Böckler-Straße ein Schuhgeschäft »Bata« gab. Und dann hatte er auch noch »Sand in den Schuhen aus Hawaii«! Aber na gut, er war mit seiner Bala-lala-leika auch der König von Jamaika und betrieb trotzdem keine Musikalienhandlung.
Das Foto von Cindy und Bert markierte die Schnittstelle, und an Frauen fanden sich solche Granaten wie die Erfinderin des Drogentodschlagers, Juliane Werding. Oder auch Nana Mouskouri, die mit ihrer maskulinen Hornbrille auch schon wieder neben den mit seiner Haartolle eher feminin wirkenden Freddy Breck gepasst hätte.
Diesen Partykeller tagsüber quasi als Museum anzuschauen hatte schon was Perverses. Pommes' Eltern mit Freunden darin feiern zu sehen, war unheimlich. Leider erinnere ich mich noch sehr deutlich an den April 1980. Im Jen-dritzki'schen Wohnzimmer gaben Spüli, Pommes, Mücke und ich uns die Rocknacht mit The Blues Band, Joan Armatrading und Ian Hunter. Während Paul Jones sein »BOOM! BOOM!« in die Grugahalle brüllte und das Publikum vor der Bühne sowie vier pubertierende Jungs vor einem Fernseher in Bochum »OUT GO THE LIGHTS!« antworteten, cool mit dem Kopf wippten und in abgehangener Professionalität imaginäre Instrumente bearbeiteten, schwappte über die Kellertreppe ein vielkehliges »Griiiechischer Weiiiin! Ist so wie das Blut der Erde! Schenk noch mal eiiiin!« nach oben. Mit der gleichen Angstlust, die man bei Horrorfilmen empfindet, dachten wir uns: Das muss man gesehen haben! Eine Meinung, die wir revidierten, als wir drei Männer in Socken auf dem Boden sitzen sahen, die sich umarmten und gegenseitig Bier aus einem Stiefelglas einflößten. Einer davon war Pommes' Vater. Spätestens da wurde mir klar: Wenn die Aufregung im Job im reziproken Verhältnis zum Ausflippen auf einer Kellerparty steht, dann kommt eine Verwaltungslaufbahn für mich nicht in Frage.
Strahlte das Fetenverlies der Familie Jendritzki durch den Einsatz heimischer Holzarten noch etwas Warmes aus, hatte der Partykeller der Eltern von Matze Danner den Charme eines Operationssaales. An den Wänden weißer Strukturputz, auf dem Boden quadratische weiße Bodenfliesen, die zur Raummitte ein leichtes Gefälle in Richtung eines Abflusses mit Schmutzfanggitter aufwiesen. Wozu der gut war, machte uns Vater Danner vor der ersten Party, die wir dort feiern durften, in aller Deutlichkeit klar. Er wartete, bis etwa die Hälfte der Gäste erschienen war, und unterwies uns bei ungemütlicher Neonbeleuchtung in der Nutzung des Kellers: »Ihr könnt hier alles machen. Nur keine Kinder, hähä! Also, der Tresen ist mit einem T-Träger im Boden verankert, die Barhocker sind fest montiert auf Stahlsäulen, die einen halben Meter ins Erdreich runterreichen. Ey, hier kann vor dem Haus ne Atombombe hochgehen, dann sind wir alle nicht mal mehr Asche, aber ich sach euch, der Tresen und die Hocker bleiben stehen. Wer beim Tanzen allerdings dagegenfliegt, handelt sich nen Schädelbruch ein! Da hinten das Klo hat ein Kotzbecken. Drunter stehen noch zwei Eimer, die benutzen wir bei unseren Feiern auch immer. Und wenn ihr es bis zum Klo nicht mehr schafft - auch egal. Den ganzen Raum kann man abspritzen. Und neben dem Klo steht auch ne Gummiflitsche, damit könnt ihr alles in den Ausguss schieben und hinterher nur die groben Sachen oben vom Gitter puhlen.«
Wir waren fünfzehn, hatten höchstens zweimal von einem Bier genippt und wussten jetzt mehr, als nötig war. Dann wollte Vater Danner noch wissen, ob wir »Pariser« hätten. Wenn nicht, könne er uns auch da aushelfen, schließlich solle so eine Feier außer Kopfschmerzen nicht auch noch zweibeinige Folgen haben. »Hammwa allet schon erlebt. Oder watt meint ihr, wie unser Matze inne Welt gekommen is?« Mit fünfzehn sind einem Eltern ja immer peinlich, aber Herr Danner, der mit Gebrauchtwagen zweifelhafter Herkunft zu Geld gekommen war, setzte da noch mal ganz neue Maßstäbe.
Als wir dann die Neonbeleuchtung wieder ausgeschaltet und mit farbigen Tüchern über im Raum auf dem Boden verteilten Tischlampen eine adäquate Früh-Achtziger-Feten-Stimmung hergestellt hatten, dauerte es doch eine Weile, bis wir so richtig in Fahrt kamen. Noch beim Klammerblues zu vorgerückter Stunde (was damals etwa 21:30 Uhr hieß) waren wir etwas gehemmt, da wir uns nicht ausmalen wollten, wieso die Gummisohlen
Weitere Kostenlose Bücher