Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Knopf drücken. Alice ist achtundzwanzig Jahre alt, hat einen sinnlichen, kurvenreichen Körper und zwei graue Strähnen in ihrer schwarzen Mähne: Auf die Idee, sie zu färben, ist sie bisher noch nicht gekommen. Die Frau ist intelligent und so reif, dass sie mich meiden würde wie die Pest, wäre sie so alt wie ich.
Laut Wetterbericht gibt es auch heute wieder Regen. Im Fernsehen erklärt der braun gebrannte Colonello der Luftwaffe, dass wir uns genau zwischen einer kalten Luftströmung aus dem Balkan und einem Azorenhoch befinden, die sich ausgerechnet über unseren Köpfen bekriegen. Auch ich fühle mich zerrieben zwischen zwei gegensätzlichen Einflüssen – einem Anflug von Gewissen, der es mir zwingend notwendig erscheinen lässt, Alice zu gestehen, dass ich nicht mehr in sie verliebt bin, und einem Testosteronschub, der mich aus dem Gleichgewicht bringt und mir einredet, dass man ein Prachtweib wie sie nicht einfach so in die Wüste schickt.
Mir ist nach ein wenig Leidenschaft zumute. Am Türpfosten lehnend, beobachte ich meinen Kaffeeautomaten, wie er das Geschirr spült. Mein Blick ruht auf ihrem Hinterteil, das sich im solidarischen Gleichklang mit den Armen bewegt, die sich gerade mit einer verkrusteten Pfanne abmühen.
»Was ist los, Diego?«, fragt sie unwirsch und dreht kaum merklich den Kopf.
»Also, was gibt’s?«, wiederholt sie, jedoch wesentlich sanfter, nachdem ihr mein starrer Blick auf ihre Pobacken nicht entgangen ist.
»Nichts«, antworte ich.
»Wie – nichts?«, meint sie und schmunzelt über meinen schwärmerischen Tonfall.
»Nein, es ist nur« – Kunstpause – »du schaffst es sogar, sexy auszusehen, wenn du abspülst.«
»Idiot!«
Fünfzehn Sekunden später hat der fragliche Idiot, nachdem er wie ein Wilder auf das Bett geworfen wurde, bekommen, was er wollte. Und das hätte er nicht, wäre er einfach hinter sie getreten und hätte ihr einen sanften Kuss auf den Nacken gehaucht. Das funktioniert nur bei neuen Kaffeeautomaten. Nach einem Jahr jedoch ist deren Mechanik bereits ein wenig eingerostet, und ihre Handhabung erfordert Geduld und Raffinesse.
Es ist immer die Frau, die die erste Lüge einfordert. Ohne Witz. Erst quatscht sie dich voll, wie wichtig die Ehrlichkeit in einer Beziehung ist, dann zwingt sie dich nach kaum zwei Monaten des Zusammenseins zu der Aussage, dass sie die Frau deines Lebens ist und dass du sie niemals verlassen wirst. Nun, da die größte Lüge bereits im Raum steht, musst du keine Bedenken haben wegen denen, die noch folgen werden.
Selbstverständlich entgeht mir das sarkastische Grinsen meiner Altersgenossen nicht, wenn ich mit einer meiner Verlobten ausgehe, von denen keine über dreißig Jahre alt ist. Männer deines Schlages haben nicht den Mut, sich mit einer gleichaltrigen Frau zusammenzutun, sagen mir ihre Blicke. Ihr sucht euch doch nur kleine Mädchen, die euch anhimmeln, weil ihr den Ansprüchen einer richtigen Frau nicht gewachsen seid. Schwachsinn. Als junger Kerl von sechzehn Jahren versucht man verzweifelt, eine Gleichaltrige ins Bett zu bekommen. Leider hat man Pickel, kämpft vergebens gegen Schuppen an und kurvt auf einem gebrauchten Motorino durch die Gegend. Gleichaltrige Mädchen hingegen wissen sich bereits wie erwachsene Frauen zu schminken und zu kleiden, sind vertraut im Umgang mit der Dusche und treiben es mit Zwanzigjährigen, die mit Papas Auto unterwegs sind. Und so sind acht von zehn Sechzehnjährigen gezwungen, auf vierzehnjährige Mädchen auszuweichen. Auch mit zwanzig Jahren weiß man als Mann noch nicht so recht, wo es langgeht. Aus Verzweiflung hat man sich an der erstbesten Fakultät eingeschrieben, aber keine Ahnung, was man vom Leben will. Gleichaltrige Frauen wiederum haben gern etwas Festes und suchen sich deshalb Dreißigjährige, sodass man wiederum gezwungen ist, auf Sechzehnjährige auszuweichen. Mit siebenundzwanzig Jahren schließlich hat der durchschnittliche Italiener in seinem lückenhaften Lebenslauf nur einen mittelmäßigen Studienabschluss vorzuweisen und schlägt sich mit den ersten entwürdigenden und unterbezahlten Tätigkeiten herum. Trotzdem gibt er die Hoffnung nicht auf, wenigstens bei einer seiner Altersgenossinnen Eindruck zu schinden. Leider Gottes haben die jedoch ausnahmslos mindestens zehn Jahre gescheiterter Liebesbeziehungen hinter sich und suchen Sicherheit bei vierzigjährigen Männern. Und so ist man wieder gezwungen, sich mit den Studentinnen aus dem ersten Semester
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