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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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neuen Anstrich bekommen hat. Bei den zwei Hektar Land handelt es sich um einen felsigen Steilhang, auf den sich nicht einmal ein Steinbock wagen würde. Und die idyllische Landschaft ist nur auf einer Seite des Grundstücks zu erahnen, während die anderen drei Seiten begrenzt sind – im Uhrzeigersinn – von einer Raffinerie für Schweröl, einem Abwasserkanal und einem weiträumigen Roma-Lager.
    Doch diese Überlegungen sind gut für mich. Sie halten mich davon ab, mir über den wichtigsten Punkt Gedanken zu machen: Warum fahre ich überhaupt dorthin, um mir dieses Gehöft anzusehen?
    Meine Altersgenossen und ich gehören der sogenannten Generation Plan B an. In einem Land wie Italien zu arbeiten, das ist eine so grässliche Erfahrung, dass man spätestens nach zwei Jahren die Schnauze voll hat und anfängt, sich einen Plan B zurechtzulegen. Und dies sogar, wenn man das unfassbare Glück hat, in dem Metier tätig zu sein, das man studiert hat. Fast immer sieht der Ausweg so aus, dass man in die Tourismusbranche einsteigt, ein Landhotel eröffnet und Urlaub auf dem Bauernhof anbietet, vor allem wenn sich zu dem Abscheu gegenüber der Arbeit auch noch der Überdruss an der Stadt gesellt. Man erhofft sich also ein besseres, gesünderes Leben, mit mehr Zeit für sich selbst. Hat man dann mehr Zeit zum Nachdenken, kommt man irgendwann dahinter, dass man immer noch unglücklich ist und dass die Arbeit nicht das Geringste damit zu tun hatte. Und die Stadt allemal nicht. Man hat zwar den Wohnort gewechselt, aber die eigenen Probleme zuoberst in den Koffer gepackt. Und auf einmal findet man sich auf besagtem Hügel mit dem herrlichen Panoramablick wieder, umgeben von unverfälschter Natur, im Kopf die Vorstellung von herzensguten Dor f bewohnern – nur um festzustellen, dass hier dieselben Idioten wie überall wohnen. Der einzige Unterschied ist der, dass man hier nicht aus dem Haus gehen kann, ohne ihnen ständig über den Weg zu laufen.
    Ein Hinweisschild an der Autobahn – das Wort »Latium« ist mit einem dicken roten Balken durchgestrichen – stellt richtig, dass ich mich nun in der Region Kampanien befinde.

3
    Das Navigationsgerät, dem ich aus gutem Grund misstraue, lotst mich auf eine kleine ungeteerte Straße, die ein großes Tomatenfeld durchschneidet. Der SUV holpert ungraziös über die Buckelpiste. Auf Seite sechs im Katalog, ganz links unten, unter dem entsprechenden Foto, steht zu lesen: »Erhöhte Radaufhängung, um problemlos auch den größten Anforderungen an ein geländegängiges Fahrzeug gewachsen zu sein.« Blödsinn. Ich gehe vom Gaspedal, um zu verhindern, dass mir eine der erhöhten Radaufhängungen bricht. Überzeugt, mich heillos verfahren zu haben, beschließe ich, mir eine Stelle zu suchen, an der ich wenden kann. Doch kaum biege ich um eine Kurve, sehe ich das Bauernhaus vor mir liegen. Von Weitem macht es einen guten Eindruck, und in der Umgebung sind weder Raffinerien noch Roma-Lager zu erkennen. Das Grundstück, das leicht abschüssig ist, liegt brach und dürfte mit ein wenig Einsatz in eine blühende Landschaft verwandelt werden können. Vor dem Gehöft stehen neben einem SUV und einem schwedischen Kombi zwei Männer, die meine Ankunft beobachten. Der Größere der beiden scheint von dem Immobilienbüro zu sein: einen Meter achtzig groß, achtzig Kilo schwer, sportlich, durchtrainierte Figur, schicker Anzug. Mit der auffallenden Sonnenbrille und dem unmodernen Kinnbart wirkt er ein wenig großspurig. Der andere, schmächtig, mit schütterem Haarwuchs und Muttersöhnchen-Klamotten, muss der potenzielle Käufer sein.
    Ich stelle mich neben den Kombi und steige aus. Bevor ich zu dem Makler gehe, betätige ich die Fernbedienung und aktiviere die Wegfahrsperre. Erst als in der Stille der gottverlassenen Landschaft das Biep-Biep versickert, wird mir klar, wie idiotisch das war. Ich tue so, als ginge mich das nichts an, und ergreife die Hand, die mir der Sportsmann hinstreckt.
    »Sind Sie von der Agentur?«, fragt er mich.
    »Nein, ich dachte eigentlich … Sind Sie alle wegen der Anzeige hier?«, erwidere ich lächelnd seine Frage.
    »Ja, aber ich war der Erste«, meldet sich der Schwächling zu Wort. Er ist mir jetzt schon unsympathisch.
    »Haben Sie sich bereits umgesehen? Was haben Sie für einen Eindruck?«, erkundige ich mich.
    »Ich habe bisher nur hier ums Haus einen kleinen Rundgang gemacht. Sieht nett aus. Der perfekte Ort, wenn man auf dem Land versauern will«, antwortet der

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