Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
spricht mich darauf an. Niemand stellt Fragen. Niemand interessiert sich dafür.
Wie konnten die Rebellen nur glauben, dass man mich zu einer Legionsführerin ernennen würde? Sie haben ihre ganze Hoffnung in mich gesetzt, dabei bin ich vollkommen nutzlos. Als eine kleine Arbeiterin in der Nahrungsvergabe bin ich für niemanden hilfreich. Dort kann ich weder das Leben der Rebellen noch das der Menschen in der Sicherheitszone verändern. Ich schaffe es ja nicht einmal, mein eigenes Leben zu verändern. Ich hatte die Chance, neu anzufangen. Ich hatte ein Leben bei den Rebellen. Ich hatte ein Leben mit Finn. Aber ich habe es aufgegeben für einen dummen Traum. Völlig umsonst.
02. Verstärkung von unerwarteter Seite
Ich trage den braunen Anzug, der mich als Angehörige der Klassifizierung „D“ auszeichnet. Der Stoff schmiegt sich eng an meinen Körper und wirkt fast wie eine zweite Haut, doch ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben in dem Anzug entblößt. Ich sehne mich nach der lockeren Kleidung der Rebellen. Sie war individuell, ein Abbild des Charakters der Menschen. Hier sind alle gleich, wenn auch nur äußerlich. In mir wütet ein Sturm, den von außen niemand sehen kann. Auch wenn meine Situation aussichtslos erscheint, werde ich nicht aufgeben. Ich werde kämpfen. Für die Rebellen. Und für mich.
Die Tür der Krankenzelle gleitet schwungvoll auf und ein junger Mann in blauem Anzug erwartet mich. Ich muss genauer hinsehen, um zu erkennen, dass es nicht C515 ist. Es wäre schön gewesen, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Zwar waren wir nie Freunde in dem Sinn, wie ich die Rebellen kennengelernt habe, aber zwischen uns bestand immer eine Verbindung. Vielleicht lag es auch nur daran, dass ich ihn von allen anderen unterscheiden konnte und er mich offensichtlich auch. Wir haben einander stets wiedererkannt und uns ohne Worte verständigt. Es waren die Blicke, die oft mehr sagten, als Worte es hätten können.
„ C590. Folge mir, ich bringe dich zu deiner Einheit.“
Während er spricht, sind seine Augen völlig bewegungslos, wie erstarrt. Sein Gesicht verrät keinerlei Emotion. Selbst seine Bewegungen wirken mechanisch, als ich ihm aus der Krankenstation folge.
Auch die Krankenstation unterscheidet sich, abgesehen von dem grünen Streifen an der Wand, nicht von jedem anderen Gang der Sicherheitszone. Er ist leer und kalt. Es reiht sich eine Stahltür an die andere. Das Licht der Deckenbeleuchtung ist so unnatürlich hell, dass mir beinahe schlecht davon wird. Der einzige Grund, warum ich mich auf meine Arbeit in der Nahrungsvergabe freue, ist Zoe. Es wird sie freuen, von Finn und den anderen zu hören. Und ich freue mich darüber, mit einem anderen Menschen sprechen zu können. Wir werden Verbündete sein. Keine von uns muss länger ihr Geheimnis alleine tragen. Wir können uns die Last teilen und gemeinsam Pläne schmieden. Ich bin bereit dafür.
Doch als wir den Kontrollraum der Nahrungsvergabe betreten, sehe ich es sofort. Es gibt über zwanzig Tische mit PCs und Arbeitern dahinter, doch zwei Stühle sind leer. Meiner und der von Zoe. Sie ist nicht mehr da.
C590 bohrt mir unangenehm seinen Zeigefinger in den Rücken. „Melde dich zum Dienst.“ Er wirkt verärgert darüber, dass er mich dazu auffordern muss. Er spürt, dass ich nicht so funktioniere, wie ich sollte, und dafür hat er kein Verständnis. Weiß er überhaupt, was mit mir geschehen ist, oder hält er mich einfach nur für eine Verrückte?
„ D518 meldet sich zum Dienst.“
Der Abteilungsleiter nickt mir unbeteiligt zu. „D375 empfängt D518.“
Das ist das Stichwort für C590, das Weite zu suchen. Er hat mich in meiner Einheit abgeliefert und damit ist seine Aufgabe erledigt. Auch der Abteilungsleiter interessiert sich nicht weiter für mich. Eine Einweisung hatte ich an meinen ersten Tag, jetzt wird von mir erwartet, dass ich meine Aufgaben kenne. Verwirrt tapse ich zu meinem ehemaligen Platz und lasse mich auf den Stuhl sinken. Vor mir flackert der Bildschirm und zeigt die Bewohner, für deren Nahrung ich heute zuständig bin. Doch ich kann meinen Blick nicht von dem leeren Stuhl neben mir reißen. Gedankenverloren fahre ich mit der Hand über die leere Sitzfläche. Was ist mit ihr passiert? Ist sie durchgedreht, nachdem ihre Rettung scheiterte? Lebt sie wohl überhaupt noch?
Ich blicke mich in dem Raum um. Jeder einzelne sitzt wie angekettet auf seinem Stuhl und starrt apathisch den Bildschirm vor sich an. Hat
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