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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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von diesem Weib gegen dein eigen Fleisch und Blut aufhetzen? Warum erlaubst du, dass sie das ganze Haus auf den Kopf stellt?«
    Imhotep, der das Bedürfnis fühlte, sich vor sich selbst zu rechtfertigen, begann zu brüllen: »Ich befehle hier, nicht du! Ich bin hier der Herr, das lass dir gesagt sein! Ich arbeite ständig zu eurem Besten – aber wird mir Dankbarkeit gezollt, werden meine Wünsche geachtet? Nein! Zuerst ist Sobek unverschämt und unehrerbietig, und jetzt versuchst du, Kait, dich gegen mich aufzulehnen! Wozu ernähre ich euch alle? Hüte dich – oder ich lasse euch fallen. Sobek spricht davon fortzugehen – dann soll er nur fortgehen und dich und die Kinder gleich mitnehmen.«
    Einen Augenblick lang stand Kait völlig unbeweglich da. Ihr wenig schönes Gesicht war ganz leer. Dann antwortete sie mit völlig ausdrucksloser Stimme:
    »Ich bringe die Kinder ins Haus.«
    Sie machte ein paar Schritte, vor Nofret blieb sie stehen. Leise sagte Kait:
    »Das ist dein Werk, Nofret. Ich werde es nicht vergessen. O nein, ich werde es nicht vergessen…«

5
    Vierter Monat der Überschwemmung – 5. Tag
     
    I mhotep seufzte befriedigt, nachdem er seine zeremoniellen Pflichten als Totenpriester beendet hatte. Das Ritual war bis in die kleinste Einzelheit befolgt worden, denn Imhotep war ein in jeder Beziehung höchst gewissenhafter Mensch. Er hatte die Trankopfer ausgegossen, Weihrauch verbrannt und die üblichen Gaben an Nahrung und Getränken dargebracht.
    Jetzt wurde er in der anstoßenden Felsenkammer, wo Hori seiner harrte, wieder der Landbesitzer und Geschäftsmann. Die beiden Männer sprachen über die herrschenden Preise und die Gewinne, die sich aus Getreide, Vieh und Holz erzielen ließen.
    Nach einer halben Stunde nickte Imhotep zufrieden.
    »Du hast einen sehr guten Kopf für Geschäfte, Hori.«
    Hori lächelte.
    »Seit vielen Jahren bin ich ja auch dein Verwalter.«
    »Und ein sehr treuer dazu. Jetzt muss ich etwas anderes mit dir besprechen. Es betrifft Ipy. Er beklagt sich, dass er eine untergeordnete Stellung hat.«
    »Er ist noch sehr jung.«
    »Aber er zeigt große Geschicklichkeit. Er findet, dass seine Brüder nicht immer anständig zu ihm sind. Sobek ist rau und anmaßend, und Yahmose reizt ihn mit seiner Vorsicht und Bedachtsamkeit. Ipy ist stolz. Er nimmt nicht gern Befehle entgegen. Außerdem ist er der Meinung, dass nur ich, sein Vater, ihm zu befehlen habe.«
    »Darf ich offen sein, Imhotep?«
    »Gewiss, mein guter Hori.«
    »Während deiner Abwesenheit sollte jemand die Leitung der Geschäfte in Händen haben.«
    »Ich vertraue dir und Yahmose.«
    »Ja, wir handeln für dich, aber das genügt nicht. Warum ernennst du nicht einen deiner Söhne zu deinem Teilhaber, so dass er gesetzlich zu Entscheidungen berechtigt ist?«
    Stirnrunzelnd schritt Imhotep auf und ab.
    »Welchen meiner Söhne soll ich ernennen? Sobek ist eine Herrschernatur, aber er ist wild und eigensinnig – ich könnte ihm nicht vertrauen. Es fehlt ihm die gute Gesinnung.«
    »Ich dachte an Yahmose«, entgegnete Hori. »Er ist dein ältester Sohn. Er ist sanft von Gemüt. Er ist dir ergeben.«
    »Ja, er hat eine gute Gesinnung, aber er ist zu scheu, zu nachgiebig. Wenn Ipy etwas älter wäre…«
    Hori fiel schnell ein: »Es ist gefährlich, einem zu jungen Menschen große Macht zu verleihen.«
    »Wahr, wahr. Nun, Hori, ich will darüber nachdenken. Yahmose ist gewiss ein guter, folgsamer Sohn…«
    Hori beharrte sanft, aber drängend: »Es wäre, glaube ich, klug gehandelt. Denn es ist auch gefährlich, einem Menschen die Macht zu spät zu verleihen.«
    Imhotep seufzte.
    »Es ist eine schwere Aufgabe, über eine Familie zu herrschen. Vor allem die Frauen lassen sich nicht leicht lenken. Aber ich habe ihnen nachdrücklich erklärt, dass sie Nofret in gebührender Weise behandeln müssen. Ich glaube…«
    Er brach ab. Ein Sklave keuchte den schmalen Pfad herauf.
    »Was gibt’s?«
    »Herr, ein Boot ist gekommen. Ein Schreiber, der sich Kameni nennt, bringt Botschaft aus Memphis.«
    »Noch mehr Unannehmlichkeiten!«, rief Imhotep. »So gewiss Re über den Himmel fährt, so gewiss bedeutet dies noch mehr Ärger! Wenn ich die Dinge nicht selbst in der Hand habe, läuft alles verkehrt.«
    Imhotep eilte davon.
    Hori saß reglos da und schaute ihm nach; sein Gesicht trug einen sorgenvollen Ausdruck.
    Renisenb war ziellos am Ufer des Nils entlanggewandert. Mit einem Mal vernahm sie laute Rufe und sah Menschen zum Landungssteg

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