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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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stritten Satipy und Kait miteinander, um sich die Zeit zu vertreiben, und sie genossen den Zank. Jetzt aber verletzen sie sich absichtlich gegenseitig, und wenn sie sehen, dass ihre bösen Worte getroffen haben, freuen sie sich. Es ist entsetzlich, Hori, entsetzlich! Gestern geriet Satipy so sehr in Zorn, dass sie Kait mit einer langen Goldnadel in den Arm stach, und vor ein paar Tagen ließ Kait eine schwere Kupferpfanne mit kochendem Fett auf Satipys Fuß fallen. Ach, es ist überall dasselbe – Satipy schmäht Yahmose bis spät in die Nacht hinein, wir alle können sie hören. Und Sobek geht ins Dorf, hält sich dort bei schlechten Frauen auf, kommt betrunken heim und prahlt laut mit seiner Tüchtigkeit!«
    »Einiges davon ist sicherlich wahr«, sagte Hori bedächtig. »Aber warum gibst du Nofret die Schuld?«
    »Weil es ihr Werk ist! Die Dinge, die sie sagt – es sind Kleinigkeiten, aber geschickt angebracht –, bringen immer den Stein ins Rollen. Sie ist wie der Stachelstock, mit dem man den Ochsen antreibt. Manchmal denke ich, dass Henet sie aufhetzt…«
    »Das könnte wohl sein«, meinte Hori nachdenklich.
    Renisenb erschauerte.
    »Ich mag Henet nicht. Ich hasse die Art, wie sie herumschleicht. Wie konnte meine Mutter sie nur herbringen und sie so lieben?«
    »Henet behauptet, dass deine Mutter sie geliebt hat«, entgegnete Hori trocken.
    »Warum liebt Henet Nofret so sehr, folgt ihr und flüstert ihr dauernd etwas zu? O Hori, glaub mir, ich habe Angst! Ich hasse Nofret! Ich wünschte, sie ginge fort. Sie ist grausam und böse!«
    »Was für ein Kind du noch bist, Renisenb.« Dann raunte Hori ihr zu: »Gib Acht, da kommt Nofret.«
    Renisenb wandte den Kopf. Sie sah Nofret den steilen Pfad heraufkommen.
    Als Nofret oben angelangt war, blickte sie um sich und lächelte mit belustigter Neugier.
    »Hierher entschlüpfst du also jeden Tag, Renisenb.«
    Renisenb antwortete nicht. Sie ärgerte sich wie ein Kind, dessen Zufluchtsort entdeckt worden ist.
    »Und das ist das berühmte Grab?«
    »Du sagst es, Nofret«, gab Hori zurück.
    Nofret betrachtete ihn mit ihrem katzenhaften Lächeln.
    »Ich zweifle nicht daran, dass du es gewinnbringend findest, Hori. Du bist ein guter Geschäftsmann, wie ich gehört habe.«
    In ihrer Stimme schwang ein wenig Bosheit, aber Hori blieb ruhig und lächelte auf seine ernste Weise zurück.
    »Es ist für uns alle gewinnbringend. Der Tod bringt immer Gewinn.«
    Nofret schauderte leicht, während ihre Augen über die Opfertische, den Eingang zum Schrein und die Schreintür glitten. Dann sagte sie mit Nachdruck:
    »Ich hasse den Tod!«
    »Das solltest du nicht«, erwiderte Hori ruhig. »Der Tod ist die Hauptquelle des Reichtums in Ägypten. Der Tod hat die Juwelen gekauft, die du trägst, Nofret. Der Tod nährt und kleidet dich.«
    Sie starrte ihn an.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine, dass Imhotep Ka-Priester ist, Totenpriester – all sein Land, sein Vieh, sein Holz, sein Flachs, seine Gerste, sein ganzer Besitz stammt aus der Grabstiftung.« Er machte eine Pause und fuhr dann nachdenklich fort: »Wir sind ein seltsames Volk, wir Ägypter. Wir lieben das Leben, und deshalb bereiten wir uns schon sehr früh auf den Tod vor. Dahinein wird der Reichtum Ägyptens gesteckt – in Pyramiden, in Gräber, in Grabstiftungen.«
    Nofret fiel heftig ein: »Willst du wohl aufhören, vom Tod zu reden, Hori! Ich mag das nicht!« Brüsk drehte sie sich um und schritt den Pfad hinab.
    Renisenb stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Ich bin froh, dass sie gegangen ist«, sagte sie. »Du hast sie erschreckt, Hori.«
    »Ja. Habe ich auch dich erschreckt, Renisenb?«
    »N… nein. Was du sagtest, ist wahr.«
    Hori bemerkte mit plötzlicher Erbitterung: »Alle Ägypter sind vom Tod wie besessen! Weil wir Augen im Leib haben, aber nicht in der Seele. Wir können uns kein anderes Leben vorstellen als dieses eine – kein Leben nach dem Tod. Wir haben keinen richtigen Glauben an einen Gott.«
    Renisenb sah ihn verwundert an.
    »Wie kannst du das sagen? Wir haben viele, viele Götter – so viele, dass ich sie nicht alle zu nennen vermag. Erst neulich sprachen wir davon, welche Götter wir vorziehen. Sobek ist ganz für Sakhmet, und Kait preist immer Meskhant. Kameni schwört auf Thoth, was durchaus natürlich ist, weil er Schreiber ist. Satipy ist für den falkenköpfigen Horus und auch für unsern eigenen Mereseer. Yahmose findet, dass Ptah verehrt werden muss, weil er alle Dinge erschaffen hat.

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