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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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liebte ihre Kinder über alles und sprach selten von etwas anderem. Bei den täglichen Streitereien mit der Schwägerin vertrat sie ihren Standpunkt einfach dadurch, dass sie immer die gleichen Worte mit ruhiger, unerschütterlicher Hartnäckigkeit wiederholte. Nie geriet sie in Hitze oder Leidenschaft, und nie betrachtete sie eine Frage von einem anderen Gesichtspunkt aus als von ihrem eigenen. Sobek hing sehr an seiner Frau und erzählte ihr offen von all seinen Angelegenheiten, weil er sicher war; dass sie sich später mal an nichts Unbequemes mehr erinnern würde, da sie beim Zuhören im Geiste doch stets bei einer Frage weilte, die mit den Kindern zusammenhing.
    »Es ist eine Schande, jawohl!«, rief Satipy. »Wenn Yahmose nur den Verstand einer Maus hätte, würde er es keinen Augenblick dulden! Wer hat die Verantwortung, wenn Imhotep fort ist? Yahmose! Und als Yahmoses Weib sollte ich als erste die Matten und Kissen auswählen dürfen. Dieses Flusspferd von einem schwarzen Sklaven sollte…«
    Kaits schwerfällig tiefe Stimme fiel ein: »Nein, nein, meine Kleine, du musst nicht die Haare deiner Puppe essen. Schau, hier hast du etwas Besseres… oh, wie gut!«
    »Du bist sehr unhöflich, Kait. Du hörst mir nicht einmal zu, du antwortest nicht. Dein Benehmen ist unmöglich.«
    »Das blaue Kissen hat von jeher mir gehört. Ach, sieh nur die kleine Ankh… sie versucht zu laufen…«
    »Du bist so dumm wie deine Kinder, Kait. Aber so kommst du mir nicht davon. Ich will mein Recht, das sage ich dir.«
    Renisenb wollte gerade weitergehen, als sie leise Schritte hinter sich hörte. Erschrocken drehte sie sich um, und da erblickte sie mit dem altvertrauten Gefühl der Abneigung Henet.
    Henet hatte ihr mageres Gesicht zu ihrem üblichen, irgendwie kriecherischen Lächeln verzogen.
    »Es hat sich nichts geändert, wirst du wohl denken, Renisenb«, sagte sie. »Wie wir alle Satipys Zunge ertragen, weiß ich nicht! Natürlich kann Kait ihr entgegentreten. Aber einige von uns sind nicht so glücklich! Ich kenne meinen Platz, ich weiß, wie dankbar ich deinem Vater sein muss, dass er mir ein Heim, Nahrung und Kleidung gibt. Oh, er ist ein guter Mann, dein Vater. Und ich habe mich stets bemüht zu tun, was ich vermag. Ich arbeite immerzu, packe da und dort mit an und erwarte keinen Dank. Wenn deine liebe Mutter noch lebte, wäre alles anders. Sie wusste mich zu würdigen. Wie Schwestern waren wir! Eine schöne Frau war sie. Nun, ich habe meine Pflicht getan und das ihr gegebene Versprechen gehalten. ›Sorge für die Kinder, Henet‹, sagte sie, als sie im Sterben lag. Und ich habe mein Wort getreulich gehalten. Abgerackert habe ich mich für euch alle und nie einen Dank verlangt. Nie verlangt und nie erhalten! ›Es ist ja nur die alte Henet‹, heißt es, ›die zählt nicht.‹ Niemand denkt jemals an mich. Warum auch? Ich versuche bloß, mich nützlich zu machen, weiter nichts.«
    Wie ein Aal schlüpfte sie unter Renisenbs Arm hindurch und trat in das innere Zimmer.
    »Was diese Kissen betrifft, Satipy, so entschuldige bitte, aber zufällig hörte ich Sobek sagen…«
    Renisenb entfernte sich. Sonderbar, wie sie alle eine Abneigung gegen Henet hegten! Das lag wohl an ihrer klagenden Stimme, ihrem beständigen Mitleid mit sich selbst und ihrer Leidenschaft, Streitigkeiten zu schüren.
    Nun ja, dachte Renisenb, irgendein Vergnügen musste man Henet schließlich lassen. Es stimmte, dass sie sich abrackerte und dass niemand ihr Dankbarkeit bezeugte. Man konnte Henet nicht dankbar sein – sie wies selber auf ihre Verdienste hin, so dass jegliches wärmere Gefühl, das man für sie empfinden mochte, erkaltete.
    Henet gehörte zu den Menschen, deren Schicksal es war, sich für andere aufzuopfern und niemanden zu haben, der sich für sie aufopferte. Sie war reizlos und außerdem dumm. Doch wusste sie stets, was vor sich ging. Ihr geräuschloser Gang, ihre scharfen Ohren und ihre flinken, spähenden Augen sorgten dafür, dass ihr kein Geheimnis verborgen blieb. Manchmal behielt sie ihr Wissen für sich, manchmal jedoch ging sie tuschelnd von einer Person zur anderen und beobachtete dann aus dem Hintergrund voll boshaften Vergnügens die Ergebnisse ihrer Klatschereien.
    Irgendwann einmal hatte schon jeder im Hause Imhotep gebeten, Henet fortzuschicken, doch Imhotep wollte nichts davon hören. Er war vielleicht der einzige Mensch, der sie gern hatte; und sie vergalt ihm seine Gunst mit jener bedingungslosen Ergebenheit, die die

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