Rächer des Herzens (German Edition)
See!“, rief Isabella aus und glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. „Eine derartige Verhätschelung forderst du doch wohl nicht?“
„Ich fordere jedoch immer noch, dass du mich zum Seebad begleitest“, antwortete er, „und zu anderen Orten und Betätigungen meiner Wahl, die mein körperliches und seelisches Wohlbefinden fördern.“
Isabella schnaubte auf ganz undamenhafte Weise. „Was für ein Unsinn!“
Er kam näher. „Im Gegenteil, mein Schatz. Das sehen die Regeln dieser Vereinbarung vor.“
Jetzt gelang es ihr doch, ihm das Papier zu entreißen. „Orte und Betätigungen, die sein körperliches und seelisches Wohlbefinden fördern“, wiederholte sie. „Es scheint mir, dass du dich mehr auf dein seelisches Wohlbefinden konzentrieren solltest, Marcus. Ich glaube, da ist noch einiges zu verbessern.“
Marcus zog Isabella weiter zu sich, bis sein Mund nur noch einen Zoll von dem ihren entfernt war. Er sah, wie ihre Augen einen dunklen, warmen Schimmer bekamen, als ihr Blick unwiderstehlich von seinen Lippen angezogen wurde. Erregt benetzte sie mit der Zunge ihre Unterlippe. Marcus unterdrückte den Drang, sie lange und leidenschaftlich zu küssen. Nicht jetzt, noch nicht. Er wollte, dass sie sich danach genauso sehnte wie er.
„Konzentriere du dich auf mein seelisches Wohlbefinden, Liebling“, sagte er leise, „und ich werde über die geschlossene Schlafzimmertür nachdenken, die zwischen uns liegt.“ Er fuhr mit belegter Stimme fort: „Sorge dafür, dass sie verschlossen ist, denn ich werde kommen und klopfen, bis sie sich für mich öffnet.“
16. KAPITEL
Die ungewöhnliche Geschichte der Fürstin und des leidenschaftlichen Earl of S sorgt weiterhin für Erstaunen. Die Leser dieser Zeitschrift werden sich wohl an die überstürzte Hochzeit erinnern. Jetzt scheint es, dass die neue Countess ihren Mann eine Woche danach nicht weniger überstürzt verlassen hat. Wie bekannt, verließ sie London, um ihre Flitterwochen allein in einem Seebad zu verbringen. Der Earl ist ihr eiligst nachgereist. Möglicherweise ist die Countess erneut von den Liebesfähigkeiten der Engländer enttäuscht worden und auf der Suche nach einem ausländischen Liebhaber. Wir hoffen, dass die Meeresbrise dem Earl dazu verhilft, seine Lady mit neuer Kraft zufriedenzustellen …
aus: The Gentlemen’s Athenian Mercury, 6. Juli 1816
„Skandalöser Unsinn“, sagte Alistair Cantrell erbost und ließ die Zeitschrift mit einem ärgerlichen Seufzer fallen. Dann betrachtete er missmutig seinen Teller mit den mittlerweile kalten Spiegeleiern. Wirklich, heute Morgen fühlte er sich ausgesprochen unwohl. Ihm gegenüber am Frühstückstisch saß die Ursache seiner schlechten Laune: Miss Penelope Standish, taufrisch und strotzend vor Gesundheit, machte sich mit herzhaftem Appetit über ihr Frühstück her. Offenbar hatte sie gut geschlafen und nicht wach gelegen, um an ihn zu denken.
Sie hatten Alresford recht spät erreicht und zu ihrem Leidwesen festgestellt, dass aufgrund des Jahrmarkts im nahe gelegenen Winchester die besten Zimmer in den Gasthäusern von den zahlreichen Besuchern belegt waren. Schließlich hatten sie Obdach gefunden in der kleinsten und unansehnlichsten von allen Herbergen am Ort. Selbstverständlich hatten Pen und ihr Dienstmädchen das letzte freie Zimmer genommen – worauf Alistair bestanden hatte – , und er hatte die Nacht auf dem Sofa in der Gaststube verbracht. Natürlich hatte er in dem abgestandenen Dunst von Rauch und Herdfeuerasche und bei dem Gedanken an Pen, die unmittelbar über ihm süß träumte, kein Auge zugetan.
„Ich schwöre, diesmal bin ich unschuldig“, sagte Pen, während sie genüsslich ihr drittes Toast verzehrte. Sie sah ihn an und runzelte dann leicht die Stirn. „Fühlen Sie sich wirklich wohl heute Morgen, Mr. Cantrell? Sie sehen etwas angeschlagen aus.“
Alistair sah sie an, und sein Gesichtsausdruck hellte sich etwas auf. Es war ja nicht Miss Standishs Schuld, dass sie solche Geschwister hatte: einen Bruder mit lockerem Lebenswandel und eine Schwester, die rücksichtsloserweise ein Anwesen in Dorset erbte statt in gut zugänglichen Gegenden wie Kent oder Essex.
„Glauben Sie, dass wir Salterton heute erreichen?“, fragte Pen hoffnungsvoll.
Er schüttelte den Kopf.„Das bezweifle ich, Miss Standish. Auf den Straßen ist viel Verkehr, sodass wir verhältnismäßig langsam vorankommen. Ich hoffe, dass wir heute Abend im ‚Three Legged Cross‘ unterkommen und morgen
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