Räuberbier
Überblick über die historische Entwicklung des Unternehmens gaben.
Hinter dem Ausschank, wo auch sonst, stand Ferdinand. Die Begrüßung war herzlich, und wie immer frotzelten wir zunächst ein paar dumme Sprüche.
»Frohe Weihnachten, ich komme immer wieder gerne zu dir, Ferdi. Nur die Produkte der Brauerei Globa mag ich lieber als deine.«
Mein Freund schaute mich überrascht an. »Brauerei Globa? Wo soll die denn sein? Eigentlich bin ich mir sicher, einen umfassenden Marktüberblick zu haben.«
Ich lächelte süffisant. »Die Produkte der Brauerei Globa kennst du bestimmt. Schon mal etwas von Globa-Bier gehört?«
Ferdinand benötigte zwei oder drei Sekunden, bis er das Wortspiel durchschaute. »Das Klopapier schmeckt aber nicht so gut. Kennst du eigentlich schon unsere neue Kreation? Wir haben jetzt ein Schüttelbier.«
Dieses Jahr ging ich ihm nicht auf den Leim. Der Gag mit dem Schüttelbier war nämlich ziemlich alt. »Oh, lass doch den ollen Shakespeare aus dem Spiel.«
Wir setzten uns an den ovalen Haupttisch vor der Theke. Ferdinand stellte mir ein Glas und eine Bügelverschlussflasche hin. »Probier mal. Ich weiß, du stehst mehr auf Pils, aber dieses Rote Räuberbier ist nicht zu verachten.«
»Ist das eine Anspielung auf meinen Beruf? Ich hätte lieber ein Dein-Freund-und-Helfer-Bier.«
»Mal schauen, was ich machen kann«, antwortete er. »Aus Marketinggesichtspunkten wird das aber schwierig. Die Zielgruppe ist da zu gering.«
»Und beim Räuberbier sieht es besser aus?«, fragte ich verblüfft. »Soll ich alle eure Kunden prophylaktisch festnehmen? Du weißt ja, fast jeder hat eine Leiche im Keller, man muss nur lange genug suchen.«
»Ne, lass mal«, winkte er ab. »Wir brauchen die Kunden. Solange sie unser Bier trinken, kommen sie auf keine dummen Gedanken.«
»Das klingt ja fast, als könnte man euer Bier in der Verbrechensbekämpfung präventiv einsetzen. Trinkt Rotes Räuberbier, dann gibt’s keinen Kummer hier.«
Ferdinand lachte und stellte mir eine Schüssel Weihnachtsgebäck hin. »Probier mal, Reiner. Das habe ich auf dem Weihnachtsmarkt gekauft. Die Verpackung weißt mehr als zehn verschiedene Bio- und Ökozertifikate auf. Damit wird man unsterblich.«
»Gelten diese Zertifikate nur für die Verpackung oder auch für den Inhalt?« Ich probierte eines der dunklen und nicht sehr dekorativ aussehenden Stücke. Es sah aus und schmeckte wie alter Pressspan. »Pfui Teufel«, rief ich im Affekt. »Lieber sterblich bleiben, als das Zeug essen müssen.«
Ferdinand zuckte mit den Schultern. »Alles im Leben ist ein Kompromiss.«
»Beim Essen und Trinken gibt’s bei mir keine Kompromisse. Wo ist die nächste Imbissbude? Currywurst und Pommes, da kann man nicht viel falsch machen.«
Ferdinand hatte selbstverständlich vorgesorgt und einen kleinen Imbiss zubereitet. Zusammen mit dem Ambiente des Bräukellers mundeten der Snack und das Räuberbier, ich fühlte mich rundum wohl.
»Du, Reiner«, begann mein Freund nach einer Weile. »Gut, dass du da bist. Ich würde dich gerne um deinen Rat bitten.«
»Gerne. Bleib deinem Beruf treu und ich komme weiterhin jedes Jahr, um dich zu besuchen. Ist das Rat genug?«
Ferdinand Jäger, der in der Eichbaum-Brauerei als Leiter der Abteilung Betriebsbesichtigung angestellt war, winkte ab. »Bleib doch mal ernst, Junge. Ich habe da ein kleines Problem.«
Ich schaute meinen Freund an. Ferdi sollte ein Problem haben? Damit würde mein Weltbild zerstört werden. Beim besten Willen konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein Mann wie Ferdi ein Problem haben sollte. Vor wenigen Monaten war mein Freund zwar in einer betriebsinternen Sache verwickelt, die alles andere als harmlos und gesetzestreu war. Im Gegensatz zu dem Braumeister mit dem seltsamen Namen Glaubier, der fristlos entlassen und wegen einer Drogengeschichte festgenommen wurde, kam Ferdi mit einer Abmahnung davon. Doch das war alles Schnee von gestern.
»Schieß los, ich bin ganz Ohr.«
Ferdinand trank einen großen Schluck, bevor er zu reden begann. »Es betrifft mich nicht im eigentlichen Sinne.«
Ich atmete auf.
»Irgendetwas ist in der Brauerei faul.« Er ließ ein paar Sekunden verstreichen, bevor er weitersprach. »Ich vermute, dass irgendjemand innerhalb des Unternehmens eine Riesensauerei am Laufen hat. Allerdings sind meine Vermutungen mehr als vage.«
Ich unterbrach ihn. »Wenn du den Verdacht hast, dass es Unregelmäßigkeiten gibt, solltest du dich mit der Kriminalpolizei
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