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Räuberbier

Räuberbier

Titel: Räuberbier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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was in der Umsetzung nicht ganz so trivial war. Es war alles andere als einfach, in dem Trümmerhaufen einen Weg freizuschaufeln, ohne uns weitere Verletzungen zuzufügen. Die paar Liter Bier, die sich zusätzlich über uns ergossen, machten die Suppe nicht fett. Wir rochen wie die Haßlocher Lebertester, deren Lebensinhalt ausschließlich darin bestand, Bier zu konsumieren.
    Beckers sportliche Ader war sehr hilfreich. Beidhändig griff er Bierkästen und warf sie in hohem Bogen zur Seite. Langsam bildete sich dadurch eine Schneise durch die Trümmer. Als wir endlich das Gröbste hinter uns hatten, war unser Gegner verschwunden. Zwei Ausgänge gab es aus der Halle, eine Entscheidung musste sofort fallen.
    »Rechts«, schrie der Student. »Rechts ist immer gut.«
    »Dann gehen wir nach links«, beschied ich und lief zu besagtem Ausgang.
    Der Ausgang war nur eine Zwischentür. In der nächsten Halle befand sich die Abfüllanlage, die außer Betrieb war. Erst jetzt bemerkte ich, dass es heute in der Brauerei menschenleer war. Vielleicht hatte man die Produktion am Vortag von Silvester gedrosselt, weil zu viele Arbeiter in Urlaub oder krank waren? Die Halle, die fast fußballfeldgroße Abmessungen hatte, wirkte durch die vielen stillstehenden Förderbänder unheimlich. Es war schwer, die Lage auf einen oder wenige Blicke zu erfassen. Zu viele Geräte, Maschinen und undefinierbares Zeug standen in der Halle. Wenn unsere Zielperson sich hier versteckt haben sollte, konnten wir lange suchen.
    »Da!«, schrie Becker und zeigte diagonal auf das andere Ende der Halle. Tatsächlich, irgendjemand hatte dort in dieser Sekunde die Halle verlassen. Wir waren auf dem richtigen Weg. Als zusätzliche Schwierigkeit mussten wir uns durch den Irrgarten der Förderbänder hindurcharbeiten. Einen direkten Weg schien es nicht zu geben. Dietmar Becker, der unwesentlich Sportlichere von uns, sprang über die niedrigeren Förderbänder hinweg, während ich im Entengang mit knackenden Gelenken darunter durchkroch. Dafür schien dem Studenten die Weitsicht zu fehlen. Klar, das lernt man erst durch jahrelange Erfahrung. So landete er mitten in der Halle in einer Art Sackgasse aus übermannshohen Trennwänden aus Stahl. Meine Wenigkeit hatte das kommen sehen. Mittels eines kleinen Umwegs über die Fassbierabfüllung konnte ich zum Studenten aufschließen, der durch den nötigen Umweg unnötige Zeit verloren hatte.
    So langsam geriet ich außer Atem. Der Schweiß lief mir aus allen Poren und vermischte sich mit meinem Blut und dem vielen Bier, mit dem ich durchtränkt war. Ich konnte nicht einmal sagen, ob es sich um Pils handelte. Kurz vor dem Erreichen des Hallenendes konnte ich eine unfreiwillige Auszeit nehmen: Ich rutschte aus und unter einen parkenden Gabelstapler. Ohne Frage, das tat höllisch weh. Doch was wollte ich machen? Becker verschwand im gleichen Moment durch die Hallentür. Ich konnte ihn in dem Moment der höchsten Gefahr doch nicht alleine lassen. Ich biss meine Zähne zusammen und dabei versehentlich auch gleich noch auf meine Zunge. Wenigstens ließ dadurch der Knöchelschmerz etwas nach. Ich humpelte zur Tür hinaus und kam in einen langen Flur. An dessen Ende rannte der Student gerade wieder hinaus.
    Mit brennender Zunge durchhumpelte ich den Flur und rannte im nächsten Raum beinahe den Studenten um, der sehr erschrak, da ich von hinten kam.
    »Sie sind ja schon da!«, keuchte er.
    Ich nickte, um meine Atemlosigkeit nicht öffentlich vor ihm demonstrieren zu müssen. Wir standen im Eingangsbereich der Betriebskantine. Sie war deutlich größer als der Bräukeller, dafür weniger atmosphärisch und stilvoll eingerichtet. Eher praktisch und funktional.
    Ich schaute Becker an und zuckte meinen Kopf kurz mit fragendem Blick nach oben. Dies war in der Kurpfalz die anerkannte Geste für »Und, wo ist er hin?«
    Er verstand sie. »Die Eingangstür ist abgeschlossen. Entweder hat er einen Schlüssel oder er hat sich hier irgendwo versteckt.«
    Das war gut kombiniert, fand ich. An die Schlüsseltheorie glaubte ich nicht. Niemand, der sich auf der Flucht befand, würde sich mit so etwas aufhalten. Was wiederum bedeutete, dass sich unser Täter in unmittelbarer Nähe befand. Ich musste überlegen, was wir jetzt am besten tun sollten. Zurückgehen und aufgeben? Niemals! Hilfe rufen? Wie denn, war ja keiner da. Nein, wir mussten ihn stellen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war er nicht bewaffnet, sonst hätte er vorhin

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