Räuberbier
rekonstruieren. So einfach ist das.«
Ich war beeindruckt. Die Fotofunktion war mir zwar bekannt, da meine Tochter damit ständig hantierte und für meine Verhältnisse grottenschlechte Fotos machte und sie ins Internet oder sonst wohin stellte. Diese Funktion aber zur Wegbeschreibung zu nutzen war ein grandioser Einfall. Ich zollte dem Studenten innerlich Respekt. Öffentlich würde ich das aber niemals zugeben, zu viel Lobhudelei konnte in solchen Fällen nur schaden.
Fast hätte ich auch über so ein modernes Handy verfügen können. Meine Frau überredete mich einen Tag vor Heiligabend zum Kauf eines neuen Gerätes. Mein altes, das ich nur äußerst selten benutzte und das meist mit leerem Akku im Handschuhfach sein Dasein fristete, wäre nicht mehr up to date. So ließ ich mich überzeugen, in einem Elektromarkt, in dem elektronisches Spielzeug wie in Legebatterien angeboten wurde, ein neues zu erstehen. Meine Frau empfahl mir eines und ich verstand nicht, warum es fast keine Tasten hatte. Glücklicherweise musste ich es auch nicht verstehen. Kaum zu Hause angekommen, entdeckte meine Tochter Melanie das seltsame Stück.
»Geil, Papa, ein Touch-Screen-Handy. Alle in meiner Klasse haben ein Touch-Screen-Handy, nur ich nicht.«
Das war das letzte Mal, dass ich es zu Gesicht bekam. Damit hatte sich das Thema neues Handy für mich erledigt. Im Handschuhfach liegt nach wie vor mein altes. Und damit kann ich sogar telefonieren. Wenn ich will.
Während meiner Gedankengänge irrten wir weiter durch die Keller der Brauerei. Zweimal hatten wir eine Treppe nach oben gefunden, das Gemäuer machte inzwischen einen moderneren Eindruck. Becker blieb alle paar Meter stehen und fotografierte eifrig. Plötzlich flackerte das Taschenlampenluxusmodell. Becker drückte auf ein paar Knöpfe, las irgendwelche Daten auf dem mehrzeiligen Display und meinte dann verzweifelt: »So ein Mist, jetzt werden auch noch die Batterien leer.«
»Wie bitte? Das Ding hat Batterien? Ich hätte mindestens einen kleinen Kernreaktor im Innern vermutet.«
»Machen Sie keine Späße über dieses gute Stück, Herr Palzki«, wies Becker mich zurecht. »Zaubern kann es nicht. Wenn der Strom aufgebraucht ist, ist Schicht. Das ist mit jeder Lampe so.«
»Meine Lampe wiegt nur ein Fünftel von diesem Teil«, hetzte ich weiter. »Dafür habe ich immer ein paar Ersatzbatterien dabei.«
Der Student drehte sich zu mir um. »Und wo ist diese Lampe?«
»Daheim«, gab ich kleinlaut zu.
»Sehen Sie«, war die alles sagende Antwort. Er stellte die Lampe auf eine schwächere Stufe.
Es endete in keinem Fiasko. Zeitgleich mit dem endgültigen Erlöschen der Lampe kamen wir in einen Bereich, der spärlich beleuchtet war. Es wurde auch langsam Zeit, meine Kondition war bereits ziemlich überstrapaziert, mein Knöchel und meine Zunge taten nach wie vor bestialisch weh.
Kurz danach stiegen wir wie zwei Kanalarbeiter aus dem Keller. Es war genau die Treppe, auf der ich vergangenen Samstag mit Ferdi in den Untergrund gegangen war. Direkt nebenan befand sich das Sudhaus.
Der Braumeister fiel fast aus seiner Kommandozentrale, als er uns entdeckte. Es war ihm nicht zu verdenken, wir sahen schlicht verboten aus.
»Um Himmels willen«, rief er uns entgegen. »Was ist mit Ihnen passiert?«
»Rufen Sie die Polizei«, stöhnte ich ihm entgegen. »Da unten liegt ein Toter!«
Panscher starrte uns an. »Ein Toter? Wer ist es? Was ist passiert?«
»Später, holen Sie die Polizei!«
»Und einen Arzt«, fügte Becker hinzu.
Der Braumeister führte ein paar kurze Telefonate, dann brachte er uns zwei unbequeme Stühle ins Sudhaus.
»Sind Sie in einen Kessel gefallen?«, fragte er uns. »Sie riechen, als hätten Sie im Bier gebadet.«
»Im Getränkelager sind ein paar Flaschen kaputt gegangen.«
Näheres musste ich nicht erzählen, da in diesem Moment Ferdinand Jäger und Herr Jürgens durch die Eingangstür des Sudhauses gestürmt kamen.
Beide schauten genauso überrascht wie Panscher, als sie uns erkannten. Vor einer Stunde sahen wir ganz manierlich aus, die Zwischenzeit hatte uns, was Aussehen und Hygiene anging, in der Evolution um Jahrtausende zurückgeworfen.
»Es gibt einen Toten?«, fragte Jürgens hektisch. Da ich nach wie vor saß, fiel mein Blick auf seine Füße. Trug er vorhin auch Slipper? Ich war mir unsicher, solche Nebensächlichkeiten registrierte ich nur sehr selten.
Während Becker und ich unsere Geschichte abwechselnd erzählten, verschwand Ferdi
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