RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
Turniere sind so wichtig«, beschwerte ich mich bei meiner Mutter. »Ja, sicher, aber ich versichere dir, dass du wieder eine Chance bekommen wirst, an diesen Wettkämpfen teilzunehmen; aber wenn du die Schule vernachlässigst, bekommst du bestimmt keine zweite Chance, deine Prüfungen zu machen«, erwiderte sie.
Das Sportinternat schien meinen Eltern die beste Möglichkeit zu bieten, dass ich beide Ziele erreichte. Ich will nicht behaupten, dass es ein großer Fehler von ihnen war, denn ich schaffte tatsächlich meine Prüfungen. Aber es war ein schreckliches Jahr. Ich war überzeugt, dass ich nichts an meinem Leben ändern brauchte oder wollte. Ich war glücklich mit dem, was ich hatte. Und plötzlich hatte ich furchtbares Heimweh, vermisste meine Eltern, meine Schwester, die Familienessen mit meinen Onkeln und Großeltern, die Fußballübertragungen im Fernsehen – sie zu verpassen brachte mich schier um – und das hausgemachte Essen. Der Stundenplan war brutal. Um 7.30 Uhr standen wir auf, hatten von 8 bis 11 Uhr Unterricht und anschließend zweieinhalb Stunden Tennis bis zum Mittagessen. Von 15 bis 18 Uhr war wieder Unterricht und von 18 bis 20 Uhr Tennis und Fitnesstraining. Und von 21 bis 23 Uhr mussten wir wieder lernen. Es war zu viel. Von den beiden Dingen, die ich machen musste, Schule und Tennis, machte ich weder das eine noch das andere gut. Das einzig Gute daran war, dass ich am Ende des Tages so erschöpft war, dass ich gut schlief. Schön war auch, dass ich an den Wochenenden nach Hause fuhr und tatsächlich meinen Schulabschluss schaffte.
Meine Mutter wollte, dass ich weiter zur Schule ging und die Hochschulreife erwarb. Als ich 16 Jahre alt war, meldete sie mich für einen Fernlehrgang an, aber mir kamen sämtliche Bücher abhanden, als ich sie auf einem Flug auf die Kanarischen Inseln im Flugzeug vergaß, und damit endete meine Schulzeit. Ich glaube nicht, dass ich die Schulbücher absichtlich liegen ließ; es lag lediglich an meiner Schusseligkeit, die so typisch für mich ist, außer im Tennis. Und ich bereue es nicht, dass ich die Chance auf ein Studium aufgegeben habe, denn Reue kenne ich nicht, punktum. Ich bin neugierig auf die Welt, ich informiere mich gern über alles, was passiert, und ich glaube, ich habe in den letzten Jahren mehr als genug über das Leben gelernt. So viel hätte mir ein Studium nie vermitteln können.
Merkwürdig ist, dass es mir im Internat wie Toni erging, der ebenfalls furchtbar unter Heimweh gelitten hatte. Mein Vater hatte dagegen nie Probleme damit. Er spielte immer mit den Karten, die das Leben ihm zuteilte. Ich bin ebenso wie Toni nicht so charakterstark wie er, aber in meinem Tennisspiel halte ich mich an das Durchhalteprinzip. Toni lieferte dazu die Theorie, mein Vater die Praxis; Toni brachte mir bei, durchzuhalten, mein Vater lieferte mir ein Vorbild, dem ich nacheifern konnte.
Seine Persönlichkeit ist der Gegenpol zu der von Toni. Toni ist ein großer Redner und Philosoph, mein Vater ein Zuhörer und Pragmatiker. Toni hat feste Ansichten, mein Vater trifft Entscheidungen, und das immer mit klarem Kopf. Toni ist unberechenbar, mein Vater ausgeglichen. Toni kann ungerecht sein, mein Vater ist gerecht. Und er ist der Macher in der Familie. Ich war Tonis Projekt, und er hat seine Sache tadellos durchgezogen. Aber mein Vater, der zwei Jahre älter ist als Toni, hat eine Firma nach der anderen aus dem Nichts aufgebaut; er ist zielstrebig, aber sein Hauptaugenmerk gilt der Familie. Er ist von Grund auf anständig und immer darauf bedacht, dem Namen der Familie keine Schande zu machen. In seinen verschiedenen Firmen beschäftigt er Dutzende Leute und hat dafür gesorgt, dass wir gut leben und Toni sich ganz mir widmen kann.
Das eine wäre ohne das andere nie möglich gewesen. Toni hat weder von mir noch von sonst jemandem aus der Familie jemals Geld bekommen für die Zeit, die er mir im Laufe meines Lebens gewidmet hat; das konnte er jedoch nur tun, weil ihm die Hälfte des Unternehmens meines Vaters gehört und er die Hälfte der Gewinne bekommt, ohne sich an der Arbeit zu beteiligen. Das war ein fairer Deal, denn Toni hätte mir niemals auch nur annähernd so viele Trainingsstunden geben können, wenn mein Vater nicht zeitlebens so zielstrebig gearbeitet hätte.
Mein Vater zeichnet sich in seiner Arbeit dadurch aus, dass er Probleme anpackt, Lösungen findet und für die Erledigung der anfallenden Aufgaben sorgt. In dieser Hinsicht bin ich ihm, glaube
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