RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
es mir bis heute nicht leicht fällt, Entscheidungen zu treffen. Sicher, ich kann mich in Sekundenbruchteilen auf dem Tennisplatz entscheiden, aber wenn ich über etwas nachdenken muss, fällt mir das nicht sonderlich leicht. (Daher war ich in gewisser Weise dankbar, dass der neue Trainer zwei Jahre zuvor im Fußballverein aufgetaucht war und mir die Entscheidung abgenommen hatte, auf den Sport, den ich liebte, zu verzichten und eine Tenniskarriere anzustreben.) In solchen Momenten höre ich mir gern an, was andere zu sagen haben, bevor ich die Argumente abzuwägen versuche. Ich bilde mir nicht gern eine Meinung, bevor ich nicht alle Fakten kenne. Bei dieser Entscheidung hörte ich mehr auf meine Eltern als auf Toni, und sie hatten ganz klare Ansichten. Da wir es uns aussuchen konnten und finanziell nicht auf das Stipendium angewiesen waren, meinten sie: »Er macht sich gut bei Toni, und außerdem: Wo ist ein Junge besser aufgehoben als zu Hause?« Ganz abgesehen vom Tennis, befürchteten sie vor allem, dass ich allein und ohne Familie in Barcelona den Halt verlieren könnte. Sie wollten nicht, dass aus mir ein problematischer Jugendlicher würde. Das zu verhindern war ihnen wichtiger als eine erfolgreiche Tenniskarriere.
Ich war froh, dass meine Eltern sich so entschieden, denn im tiefsten Inneren wollte ich auch nicht von zu Hause fort; rückblickend ist meine Freude darüber sogar noch größer. So sehr Toni mir auch manchmal auf die Nerven ging (damals hatte er die Angewohnheit, mich für 9 Uhr morgens zum Training zu bestellen, aber nicht vor 10 Uhr zu kommen), war mir doch klar, dass ich mit ihm auf einem guten Weg war. Einen besseren Trainer oder Berater würde ich nicht finden.
In Barcelona wäre mir der Erfolg vielleicht zu Kopf gestiegen, bei Toni und meiner Familie konnte das nicht passieren, da sie alle sich verbündet hatten, mich mit beiden Füßen auf dem Boden zu halten – auch meine jüngere Schwester Maribel. In diesem Zusammenhang fällt mir ein Juniorturnier in der französischen Stadt Tarbes ein, Les Petits As (Die kleinen Asse), das als Weltmeisterschaft dieser Altersgruppe gilt. Ich war damals 14 Jahre alt. Es lockt Besucher in Scharen an, weil die Leute glauben, dort einige zukünftige Stars zu Gesicht zu bekommen. In jenem Jahr gewann ich das Turnier und erhielt einen ersten Vorgeschmack auf das, was mir bevorstand, als gleichaltrige und ältere Mädchen zu mir kamen und mich um ein Autogramm baten. Als meine Eltern es sahen, waren sie amüsiert, aber auch leicht beunruhigt. Mein Vater brachte Maribel, die damals neun Jahre alt war, dazu, sich zu den Mädchen in die Schlange zu stellen; als sie an die Reihe kam, fragte sie zuckersüß: »Herr Nadal, kann ich bitte ein Autogramm haben?« Meine Eltern schauten aus einigem Abstand zu und lachten beifällig. Andere mochten ungeheuer beeindruckt von mir sein, aber nicht meine Familie.
Im selben Jahr reiste ich nach Südafrika, weiter, als ich je zuvor von zu Hause fort war. Da ich einige von Nike gesponserte Turniere in Spanien gewonnen hatte, qualifizierte ich mich für ein großes Masters in Südafrika, das Nike Junior Tour International, an dem die Sieger der Turniere aus allen Teilnehmerländern gegeneinander antraten. Toni war sich nicht sicher, ob ich hinfahren sollte. Wie üblich wollte er nicht, dass ich mir falsche Vorstellungen über mich machte. Aber was meine Vorbereitung auf das Wanderleben eines Tennisprofis anging, hielt er es durchaus für sinnvoll, mich in einem fernen Land gegen einige der besten ausländischen Spieler meiner Altersgruppe antreten zu lassen. Während Toni noch zauderte (er hat zwar klare Ansichten, tut sich mit Entscheidungen jedoch noch schwerer als ich), hatte mein Vater keinerlei Bedenken. Er rief Jofre Porta an, einen anderen Trainer, mit dem ich manchmal in Palma arbeitete, und fragte ihn, ob er mit mir nach Südafrika fahren wolle. Jofre sagte zu, und noch am selben Abend flogen wir über Madrid mit einem Nachtflug nach Johannesburg. Toni machte den Eindruck, als sei er nicht sonderlich erfreut, aber angesichts seiner Flugangst war er vermutlich sogar erleichtert, dass ihm der zwölfstündige Flug erspart blieb.
Meine Erinnerungen an das Turnier sind weniger die eines Tennisspielers als die eines aufgeregten Kindes auf seiner ersten Reise nach Afrika. Es fand in Sun City statt, einem erstaunlich extravaganten Komplex mitten im afrikanischen Busch mit gigantischen Swimmingpools, Wasserfällen und sogar
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