RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
dass mitten in einem wichtigen Ballwechsel oder unmittelbar vor einem nervösen zweiten Aufschlag plötzlich ein tieffliegender Passagierjet das Stadion mit seinem ohrenbetäubenden Lärm erfüllt.
Es ist wahrhaftig nicht Wimbledon.
Die Energie, die Respektlosigkeit und der ständige Trubel sind typisch für die US Open und heben es von den drei anderen Grand-Slam-Turnieren ab. Es ist Amerika pur, es ist New York pur, und ich liebe es. Der Lärm und die allgemeine Hektik stellen meine Konzentrationsfähigkeit zwar hart auf die Probe, aber darin bin ich gut. Im Großen und Ganzen schaffe ich es, mich in Flushing Meadows ebenso gut von meiner Umgebung abzuschotten wie im förmlichen Wimbledon. New York ist von Manacor so weit entfernt, wie man es sich nur vorstellen kann, aber mein Team sorgt dafür, dass ich mich überall ein bisschen zu Hause fühle, wohin ich auch fahre.
Das Großartige an dem Team, das mich auf der Tennistour begleitet, ist, dass meine Arbeit sich durch sie weniger nach Arbeit anfühlt. Bei ihnen finde ich Freundschaft, während die Alternative – wenn sie mir nicht so nahe stünden und nicht so loyal und umgänglich wären – ein nicht so angenehmes einsames Nomadenleben von Flughafen zu Flughafen, von einem anonymen Hotelzimmer zum anderen, von Spieler-Lounge zu Restaurants wäre, die immer alle irgendwie gleich aussehen und eine ähnliche Atmosphäre haben, wo immer auch auf der Welt ich gerade sein mag.
Jordi Robert, der in New York immer bei mir ist, arbeitet für Nike, meinem Hauptsponsor, aber vor allem ist er ein Freund. Ich hoffe, sein Unternehmen weiß ihn ebenso zu schätzen wie ich. Wenn ein Konkurrent von Nike mit einem besseren Angebot an mich herantrat, habe ich lange und eingehend über einen Wechsel nachgedacht, und das lag einzig und allein an meiner Beziehung zu Tuts. Er ist für die Firma Gold wert. Es gehört keineswegs zu seinen beruflichen Aufgaben, so enge Kontakte zu mir zu pflegen, aber er ist ein unverzichtbares Mitglied meines Teams geworden. Er begleitet mich zum Training, sitzt vor und nach den Matchs mit mir am Tisch beim Essen, unterhält sich mit mir in meinem Hotelzimmer, kommt in das Haus, das wir in Wimbledon mieten. Tuts ist etwa zehn Jahre älter als ich, aber nach seiner schicken Brille und seiner modischen, bunten Kleidung zu urteilen, könnte man meinen, ich sei der Ältere, denn ich kleide mich wesentlich konventioneller. Außer der persönlichen Note, die er meiner Beziehung zu Nike verleiht, schätze ich an Tuts besonders, dass er immer lächelt und gute Laune hat. Er ist herzlich, loyal und umgänglich. Er bringt mich dazu zu arbeiten, auch wenn ich manchmal, ehrlich gesagt, lieber etwas anderes täte. Aber vor allem ist er einfach ein unglaublich netter Kerl, der allein durch seine Anwesenheit die Atmosphäre von Vertrauen und Ruhe schafft, die ich brauche, um auf dem Tennisplatz mein Bestes zu geben.
Carlos Costa ist ebenso wie Tuts nicht bei mir angestellt. Er arbeitet für die große internationale Sportagentur IMG, ist aber schon an meiner Seite, seit ich 14 Jahre alt war. Carlos handelt die Verträge aus und nimmt die erste Einschätzung zu Sponsorenverträgen vor, die uns regelmäßig angeboten werden. Aber er ist auch ein wunderbarer Freund, an den ich mich mit uneingeschränktem Vertrauen wende, falls Probleme auftauchen. Sein Rat ist mir unendlich wichtig, zumal ich die Erfahrung gemacht habe, dass seine geschäftlichen Empfehlungen nicht in erster Linie von der Maßgabe geprägt sind, Geld zu verdienen, sondern von dem, was für mein Spiel das Beste ist. Ein solcher Agent ist nur schwer zu finden. Noch schwieriger ist ein Agent zu finden, der wie Carlos auf höchstem Niveau Tennis gespielt und es bis auf Platz 10 der Weltrangliste geschafft hat. Als sportlicher Mentor ergänzt er Toni hervorragend. Er ist technisch versiert und kennt die Qualitäten meiner Konkurrenten. Wenn die – gewöhnlich nützlichen – Spannungen, die Toni erzeugt, allzu ausgeprägt werden, versteht Carlos es, sie zu entschärfen. Wenn wir beispielsweise während der French Open in einem Hotelzimmer in Paris sind und es mit Toni plötzlich zu hitzig wird, schlägt Carlos vor: »Rafa, lass uns spazieren gehen.« Dann schlendern wir beide durch Paris, besprechen alles, rücken es ins rechte Licht, und ich kehre in erheblich besserer Verfassung ins Hotel zurück. Carlos bringt Ordnung und Stabilität in unser Team. Da er nicht zur Familie gehört, kann er
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