RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
Moment, als wir die Wimbledon-Trophäe in seinen Händen sahen«, sagte Sebastián Nadal, »aber wenn man über alles nachdenkt, ist es nicht so viel außergewöhnlicher, als wenn sie deinem Kind nach dem Studium ein Diplom überreichen. Jede Familie hat ihre freudigen Momente. Am Tag, nachdem Rafael Wimbledon gewonnen hatte und sich die ganze Aufregung und der Medientrubel erst einmal gelegt hatte, empfand ich keine größere Befriedigung, als ich sehr wahrscheinlich an dem Tag verspüren werde, wenn meine Tochter ihr Studium erfolgreich abschließt. Denn was man für seine Kinder will, ist doch letzten Endes, dass sie glücklich sind und es ihnen gut geht.«
Auch Nadals Mutter Ana María weigerte sich, sich von den Leistungen ihres Sohnes mitreißen zu lassen. »Manchmal sagen Leute zu mir: ›Was hast du für ein Glück mit deinem Sohn!‹ Dann antworte ich: ›Ich habe mit meinen beiden Kindern Glück!‹ Der Tatsache, dass Rafa ein Superchampion ist, messe ich nicht viel Bedeutung bei, denn was mich im Leben am glücklichsten macht ist das Wissen darum, dass ich zwei Kinder habe, die gute Menschen sind. Sie sind verantwortungsbewusst, haben enge, gute Freunde, hängen an ihrer Familie, was ihnen beiden sehr wichtig ist, und haben uns nie Probleme gemacht. Das ist der wahre Triumph. Wenn alles vorbei ist, wird Rafael noch derselbe Mensch sein, mein Sohn – und das ist genug.«
Am Tag nach dem Wimbledon-Finale flog die ganze Familie zurück nach Mallorca und nahm sofort ihr normales Leben wieder auf. Feierten sie eine Party? »Nein«, sagte Sebastián Nadal. »Am Abend des Matchs gab es das offizielle Dinner, zu dem wir viel zu spät kamen, weil Rafael so viele Interviews geben musste, und das war’s. Wir sind nicht sonderlich feierfreudig. Ich erinnere mich an das Match und werde es immer in Erinnerung behalten, aber was nachher passierte? Nicht viel.«
Toni Nadal antwortete auf diese Frage ganz ähnlich wie sein Bruder: »Nein, nein. Ich bin nicht so fürs Feiern, wenn wir gewinnen. Es war natürlich eine enorme Befriedigung. Für die ganze Familie. Aber wir Mallorquiner sind nicht sonderlich feierfreudig.«
Zwei Dinge änderten sich jedoch nach Wimbledon: Nadal kaufte sich den Sportwagen, den er sich so wünschte. Trotz seiner Bedenken konnte sein Vater keine Einwände dagegen erheben. Und Nadal hatte eine neue Trophäe, die er neben die unzähligen anderen bereits gewonnenen Pokale stellen konnte. Als sein Patenonkel einige Zeit später bei Rafa zu Hause im Wohnzimmer saß, wo er seine umfangreiche Trophäensammlung aufgestellt hatte, fragte er ihn, welche ihm am liebsten sei. Ohne Zögern deutete Nadal auf seinen goldenen Wimbledon-Pokal und sagte: »Dieser.«
DER GEIST
ÜBERWINDET
DIE MATERIE
KAPITEL 7
Während im Centre Court in Wimbledon Stille herrscht, geht es im Arthur Ashe Stadium in New York, wo ich 2010 im Finale der US Open stand, sehr laut zu. Anderswo ist zwischen den Spielen Gelegenheit für eine Ruhepause, aber hier hört die Show niemals auf. Dröhnend laute Musik hämmert auf die Trommelfelle ein, auf der Großbildwand werden Preise gezogen und – mit atemloser Spannung – über Lautsprecher verkündet. Videowände zeigen Wiederholungen der letzten Ballwechsel auf dem Platz oder Aufnahmen des Publikums, die noch größeren Trubel hervorrufen: Pärchen, die sich küssen, strahlende Kinder, posierende Promis, jubelnde Tombolagewinner und ab und an streitende New Yorker. Der Lärm hört nie völlig auf, auch wenn er während eines Spiels zu einem leisen, aber konstanten Gemurmel abebbt. Theoretisch sollen die Zuschauer wie überall auf der Welt auf ihren Plätzen bleiben, bis ein Spiel abgeschlossen ist und die Spieler sich zu ihren Stühlen begeben. Aber das Arthur Ashe Stadium ist so riesig – es ist das größte Tennisstadion der Welt und bietet Platz für 23 000 Zuschauer –, dass nur die Leute in den unteren Sitzreihen dieser Aufforderung nachkommen. Weiter oben sind die Zuschauer nicht nur ständig in Bewegung, sondern scheinen auch zu meinen, die Regel, dass während der Ballwechsel Ruhe herrschen soll, existiere nur, um gebrochen zu werden. Ohnehin wird sie nicht sonderlich konsequent durchgesetzt, denn schließlich gibt es auch keine Regel gegen die Flugzeuge, die über das Stadion hinwegdonnern. Da die Tennisanlage im Flushing Meadows Park, auf der die US Open ausgetragen werden, genau in der Anflugschneise des Flughafens LaGuardia liegt, kann es vorkommen,
Weitere Kostenlose Bücher