RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
Mitarbeiter ihres Teams wechseln, hätte ich sportlich erheblich zu kämpfen. Die Hauptanforderungen an mein Team liegen auf der persönlichen Ebene, weil Tennis ein Sport ist, bei dem die emotionale Verfassung für den Erfolg so wichtig ist. Je besser man mit sich im Reinen ist, umso höher sind die Chancen, gut zu spielen. Ich rede häufig über die Bedeutung des »Durchhaltevermögens«, aber »Kontinuität« ist ein weiterer wichtiger Begriff in meinem Wortschatz. Ich ziehe es erst gar nicht in Betracht, die Mitarbeiter meines Teams auszuwechseln. Ich hatte immer das gleiche Team um mich, und hoffe, dass es so bleibt. Diesen Grundsatz hat Toni etabliert, der immer bei mir war, und ich möchte daran auch niemals etwas ändern.
Bei den US Open in New York folgen wir ebenfalls einer eingespielten Routine. Wir wohnen immer in Hotels in den gleichen Vierteln von Manhattan, in der Nähe des Central Park, fahren tagsüber nach Flushing Meadows und gehen abends in eines der vier bis fünf Restaurants, die man vom Hotel aus zu Fuß erreichen kann. Häufig essen wir japanisch, weil es kaum etwas Besseres gibt als den hochwertigen Fisch in guten japanischen Restaurants. Die übrige Zeit verbringen wir meist in meinem Hotelzimmer, plaudern, schauen uns Filme oder ein Fußballspiel an. Außerdem sehen Toni und ich uns viele Aufzeichnungen meiner Matchs nochmal genau an und ziehen Konsequenzen aus meinen Fehlern wie auch aus besseren Phasen meines Spiels. Es hebt die Moral zu sehen, wie ich einen großartigen Punkt oder einen unerreichbaren Vorhand-Drive gespielt habe, aber vor allem hilft es mir, die Feinheiten meines Spiels zu visualisieren und mir eine mentale Situation einzuprägen. Wenn ich auf den Platz gehe, kann ich auf diesen Eindruck zurückgreifen, um das fließende Gefühl der Kontrolle wiederzubekommen, das ich für einen guten Schlag brauche. Es ist schwer zu erklären, aber es funktioniert.
In Manhattan würde ich gern mehr umherschlendern, die Ausstrahlung des Ortes auf mich wirken lassen und mir Sehenswürdigkeiten ansehen. Aber wenn Passanten Sportstars sehen, halten sie sich meist nicht zurück. Daher ist es nach meiner Erfahrung ein Ding der Unmöglichkeit, sich wie ein ganz normaler Mensch zu benehmen und unerkannt über die Fifth Avenue zu spazieren. Es ist ebenso zwecklos, sich darüber zu beklagen, wie sich über Regenpausen beim Match zu ärgern. Es gehört zum Job, und man muss es hinnehmen. So begebe ich mich nur über die unmittelbare Umgebung meines Hotels hinaus, wenn einer meiner Sponsoren mich bittet, an einer Promotion-Veranstaltung in der City oder am Kai des Hudson River teilzunehmen, wo Nike einmal zu einem extravaganten Event an dem Pier einlud, an dem die Titanic angelegt hätte, wenn sie bei ihrer Jungfernfahrt in New York angekommen wäre. Zu solchen Veranstaltungen kommen alle mit, nicht nur Tuts, sondern auch Titín, Carlos, Benito und wer sonst gerade da ist. Was wir auch machen, wir machen es gemeinsam.
Bei den US Open 2010 war es in der ersten Woche unglaublich heiß, kühlte dann aber ab, und am Tag des Finales regnete es so stark, dass das Match um 24 Stunden verschoben werden musste. Das war nicht ungünstig für meinen Gegner Novak Djokovic, der ein erheblich härteres Halbfinale hinter sich hatte als ich, nämlich ein Match über fünf Sätze gegen Roger Federer. An seiner Stelle hätte ich mich über den zusätzlichen Ruhetag gefreut.
Wenn Djokovic stark und fit war, stand man einem herausragenden Gegner gegenüber. Unser Match hatte zwar nicht denselben Glanz wie ein weiterer Kampf Federer-Nadal, zumindest nicht für die Zuschauer, aber mich stellte es vor eine hinreichend große Herausforderung. Er ist ein vollendeter Spieler – nach Tonis Ansicht vollendeter als ich – ohne offenkundige Schwächen, und auf harten Belägen wie in Flushing Meadows hatte er mich öfter geschlagen als ich ihn. Seine größten Stärken sind sein Gespür für die richtige Positionierung auf dem Platz und seine Fähigkeit, den Ball frühzeitig im Aufstieg zu schlagen. Seine Rückhand ist ebenso gut wie seine Vorhand, und er sieht den Ball so scharf, dass er zeitsparend spielt, in den meisten Fällen ins Feld trifft und die Winkel für seinen Gegner einengt. Damit macht er sich das Spiel erheblich leichter.
Gegen Federer lautet die Regel, geduldig immer weiter Druck zu machen in dem Wissen, dass man ihn früher oder später hin zu einem Fehler drängt. Gegen Djokovic gibt es keinen
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