RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
haben: Francis Roig, mein Co-Trainer, der ein ebenso cleverer Tennisexperte wie Toni, aber lockerer ist, und mein versierter Fitnesstrainer Joan Forcades, der sich wie Titín gleichermaßen um meine mentale wie auch körperliche Form kümmert.
Meine Familie, meine Verwandten und mein Team (das praktisch auch zu meiner Familie gehört) umgeben mich in drei konzentrischen Kreisen. Sie schirmen mich nicht nur vor dem Trubel ab, der mit Geld und Erfolg einhergeht, sondern sorgen gemeinsam auch für das herzliche, vertrauensvolle Umfeld, das ich brauche, um mein Talent entfalten zu können. Alle ergänzen sich gegenseitig und jeder Einzelne leistet seinen Beitrag dazu, mich an meinen Schwachstellen zu stützen und in meinen Stärken zu fördern. Mein Glück und mein Erfolg wären ohne sie unvorstellbar.
Roger gewann den Münzwurf und entschied sich, als Erster aufzuschlagen. Das machte mir nichts aus. Es ist mir durchaus recht, wenn mein Gegner zu Beginn des Matchs den Aufschlag hat. Wenn ich mental stark bin und seine Nerven ihm zusetzen, habe ich gute Chancen auf ein Break. Unter Druck blühe ich auf; ich knicke nicht ein, sondern werde stärker. Je näher ich am Abgrund stehe, umso stärker beflügelt fühle ich mich. Selbstverständlich bin auch ich nervös und spüre das Pulsieren von Kreislauf und Adrenalin von den Schläfen bis zu den Beinen. Es ist ein Zustand extremer körperlicher Anspannung, der aber durchaus beherrschbar ist. Und ich beherrschte ihn. Das Adrenalin siegte über meine Nervosität. Meine Beine gaben nicht nach. Sie waren kräftig und bereit, den ganzen Tag zu laufen. Ich strotzte vor Energie, und abgetaucht in meine einsame Tenniswelt hatte ich mich nie lebendiger gefühlt.
Wir nahmen unsere Positionen an der Grundlinie ein und begannen, uns einzuschlagen. Wieder diese dröhnende Stille: klack, klack, klack, klack. Nicht zum ersten Mal fiel mir auf, wie leicht, fließend und sicher Rogers Bewegungen waren. Ich habe mehr zu kämpfen, bin mal defensiver, dresche mal drauflos, erhole mich wieder, stehe auf der Kippe. Ich weiß, dass ich dieses Image habe, schließlich habe ich oft genug Videoaufzeichnungen von mir gesehen. Und es entspricht durchaus meiner Spielweise über weite Phasen meiner Karriere – vor allem, wenn ich gegen Federer gespielt habe. Aber das gute Gefühl blieb. Meine Vorbereitungen waren gut. Die Emotionen, die mich überwältigt hätten, wenn ich mein Ritual nicht eingehalten und mit Willenskraft systematisch das Lampenfieber abgeschüttelt hätte, das der Centre Court normalerweise auslöst, waren unter Kontrolle, wenn nicht sogar völlig verschwunden. Die Mauer, mit der ich mich umgeben hatte, stand hoch und felsenfest. Ich hatte die richtige Balance zwischen Anspannung und Selbstbeherrschung erreicht, zwischen Nervosität und der Überzeugung, gewinnen zu können. Ich schlug die Bälle hart und zielgenau: Grundschläge, Volleys, Schmetterbälle und die Aufschläge, mit denen wir die Aufwärmphase vor dem eigentlichen Wettkampf beendeten. Ich ging zurück an meinen Stuhl, rieb mir mit dem Handtuch Arme und Gesicht ab und trank aus meinen beiden Wasserflaschen. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich zurückversetzt in dieses Stadium kurz vor Matchbeginn beim Vorjahresfinale. Wieder einmal sagte ich mir, dass ich bereit war, mich allen möglichen Problemen zu stellen, die auftreten mochten, und auch bereit war sie zu überwinden. Denn dieses Match zu gewinnen war mein Lebenstraum, dessen Erfüllung ich noch nie so nahe gekommen war; vielleicht würde ich keine weitere Chance bekommen, ihn zu erreichen. Vielleicht würde etwas anderes versagen, mein Knie, mein Fuß, meine Rückhand, mein Aufschlag, nicht aber mein Kopf. Vielleicht würde ich an irgendeinem Punkt Angst bekommen und meine Nerven würden mit mir durchgehen, aber auf Dauer würde mein Kopf mich dieses Mal nicht im Stich lassen.
»CLARK KENT
UND
SUPERMAN«
Der Rafa Nadal, den die Welt zum Finale von Wimbledon 2008 auf den Rasen des Centre Court stürmen sah, war ein Kämpfer, der mit konzentriertem, wild entschlossenem Blick seinen Schläger packte wie ein Wikinger seine Axt. Bereits ein Blick auf Roger Federer offenbarte einen auffallenden stilistischen Unterschied: Der jüngere Nadal trug ein ärmelloses Shirt und eine Piratenhose, der ältere Federer eine cremefarbene Jacke mit Goldstickerei und ein klassisches Shirt; der eine spielte die Rolle des kämpferischen Underdog, der andere die des
Weitere Kostenlose Bücher