Rage Zorn
sie, »und dass du mich dafür hassen wirst, aber ich kann kaum glauben, wie groà du geworden bist.« Sie nahm seine Hand zwischen ihre Hände. »Ich freue mich so, dich wiederzusehen, Gavin.«
Halb verlegen und halb schüchtern sagte er: »Ich freue mich auch, Sie zu sehen, Ms Gibson.«
»Als du neun warst, war es vielleicht angebracht, dass du mich Ms Gibson nennst. Wenn ich es jetzt aus deinem Mund höre, fühle ich mich uralt. Von jetzt an nennst du mich Paris, einverstanden?«
»Einverstanden.«
»Was ist jetzt mit unserem Essen?«, fragte Dean.
»Ich habe schon was aufgesetzt.«
Er zog erwartungsvoll die Brauen hoch und bannte sie mit seinem Blick, bis ihr kaum etwas anderes übrig blieb, als zu sagen: »Es reicht bestimmt für uns drei, falls es euch nicht stört, hier zu essen.«
»Das wäre eine willkommene Abwechslung.« Dean schob Gavin über die Türschwelle. »Und was gibt es?«
»Erst lädst du dich selbst ein, und dann wirst du heikel?«
»Ich esse alles auÃer Leber und Kohlrüben.«
»Spaghettini mit Schweinelendchen und Gemüse. Keine Kohlrüben.«
»Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Wie können wir dir helfen?«
»Ãh.« Plötzlich kam sie ins Schwimmen. Sie hatte schon so lange kein Essen mehr gegeben, dass sie nicht mehr wusste, wie das ging. »Wir könnten etwas zu trinken gebrauchen.«
»Hört sich gut an.«
»Ich hätte eine Flasche Wein da â¦Â« Sie deutete vage nach hinten.
»Zeig mir den Weg«, sagte Dean.
In der Küche beauftragte sie ihn damit, den Chardonnay zu öffnen, während sie Gavin eine Cola einschenkte. Dean fühlte sich sofort wie zu Hause. Sie und Gavin hatten mehr Schwierigkeiten, sich mit der Situation anzufreunden. »Im Wohnzimmer gibt es einen CD-Player«, sagte sie zu ihm. »Aber ich weià nicht, ob ich irgendwas an Musik dahabe, was dir gefällt.«
»Ich finde bestimmt was. Ich höre mir manchmal deine Sendung an.«
Das freute sie, und so beschrieb sie ihm, wo der CD-Player stand. Er verschwand im Wohnzimmer. Sobald er auÃer Hörweite war, sagte sie zu Dean: »Soll ich ihn nach dem blauen Auge fragen oder nicht?«
»Nicht.«
Es war unmöglich, den blauen Fleck und die leichte Schwellung unter Gavins Auge zu übersehen. Natürlich hatte sie sich gefragt, wo er sich eine so schmerzhafte Verletzung zugezogen
hatte. Aber Dean reagierte so nervös und verärgert auf ihre Frage, dass sie das Thema wechselte und ihn lieber fragte, was bei Gavins Gespräch mit Curtis herausgekommen war.
»Curtis sagt, Gavin wäre bei seiner ursprünglichen Version geblieben, und er hätte ihm nichts erzählt, was er mir nicht auch erzählt hatte. Er hätte sich mit Janey gestritten und sei dann zu ein paar Freunden gegangen. Seither hat er sie nicht mehr gesehen.«
»Glaubt Curtis ihm?«
»Er lässt sich nicht in die Karten schauen. Immerhin hat er Gavin wieder gehen lassen, was ich als positives Zeichen werte. AuÃerdem hat Valentino eine reifere Stimme. Ich glaube nicht, dass Gavin seine Stimme so verstellen könnte, selbst wenn er es versuchen würde. Und wo sollte Gavin ein Mädchen gefangen halten? Er hat keine eigene Wohnung. Er hätte sie in derselben Nacht töten müssen und â mein Gott, wenn ich mich reden höre.« Er stemmte die Hände auf die Küchentheke und starrte in die Weinflasche.
»Gavin hat nichts mit Janeys Verschwinden zu tun. Das weià ich ganz sicher, Dean.«
»Ich glaube es auch nicht. Aber ich hätte auch nie gedacht, dass er diese anderen Sachen macht. Es ist gelinde gesagt irritierend, wenn man entdeckt, dass der eigene Sohn ein Doppelleben führt.«
»Tun das bis zu einem gewissen Grad nicht alle Teenager?«
»Wahrscheinlich schon, aber ich habe es ihm besonders leicht gemacht. Ich wollte, dass er gern mit mir zusammenlebt, und deshalb habe ich es mit der Disziplin nicht allzu genau genommen. Eigentlich hatte ich nicht den Eindruck, dass ich ein Softie war, aber wahrscheinlich war ich auch nicht so fest und konsequent, wie es richtig gewesen wäre. Das hat Gavin ausgenutzt.«
Er sah wieder auf und sprach sie direkt an. »Hätte ich mit meiner psychologischen Ausbildung nicht merken müssen, dass er mich an der Nase herumführt?«
Genau in diesem Moment rief Gavin
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