Rage Zorn
hierher zu kommen.
Dinge, die um zwei Uhr früh passierten, erschienen bei Tage in einem ganz anderen Licht. Plötzlich kam es ihr melodramatisch und irgendwie egozentrisch vor, gleich zur Polizei zu laufen, nur weil ihr jemand wahrscheinlich einen geschmacklosen Telefonstreich gespielt hatte.
»Ich habe gestern Abend in der Notrufzentrale angerufen«, begann sie. »Heute Morgen, um genau zu sein. Man hat mir einen Streifenwagen mit den Officers Griggs und Carson geschickt. Der Fall hat bereits ein Aktenzeichen bekommen.« Sie nannte ihm die Ziffern, die ihr Griggs aufgeschrieben hatte.
»Weshalb haben Sie angerufen, Ms Gibson?«
Sie schilderte ihm, was passiert war. Er hörte aufmerksam zu. Seine Miene blieb offen und interessiert. Er rutschte nicht auf seinem Stuhl herum, als würde sie seine Zeit mit Kleinkram verschwenden. Falls sein Interesse nur vorgetäuscht war, dann war er ein exzellenter Heuchler.
Als sie zum Ende gekommen war, zog sie eine Kassette aus ihrer Handtasche und reichte sie ihm. »Ich war heute Morgen im Sender und habe den Anruf auf Band überspielt.«
Bis zum Morgengrauen hatte sie gegen die Schlaflosigkeit angekämpft, dann hatte sie endlich kapituliert. Sie war aufgestanden, hatte geduscht und sich angezogen und war schon wieder im Sender, als Charlie und Chad, die Moderatoren der Frühsendung, gerade die Sieben-Uhr-Nachrichten verlasen.
»Ich höre mir Ihr Band gern an, Ms Gibson«, sagte Curtis. »Aber das Centralized Investigations Bureau befasst sich mit Mord, Vergewaltigung, schwerer Körperverletzung und Raub. Drohanrufeâ¦Â« Er breitete die Hände aus. »Wieso sind Sie damit zu mir gekommen?«
»Weil ich Ihren Namen gestern in der Zeitung gelesen habe«, gestand sie verlegen. »Es ging um eine Zeugenaussage in irgendeinem Prozess. Ich dachte, wenn ich nach einem bestimmten Detective frage, bekäme ich mehr Aufmerksamkeit, als wenn ich einfach ohne Termin hier aufkreuze.«
Jetzt sah er verlegen aus. »Wahrscheinlich haben Sie Recht.« »Und wenn mein Anrufer seine Drohungen wahr machen sollte, wäre das ein Fall für Ihre Abteilung, nicht wahr?«
Augenblicklich ernüchtert stand Curtis auf und trat in den Durchgang. Er rief in das GroÃraumbüro hinein, ob irgendwer einen Kassettenrecorder habe. Gleich darauf erschien ein Polizist in Zivil mit einem Gerät. »Bitte sehr.«
Er betrachtete Paris mit unverhohlener Neugier, während er den Recorder in Curtisâ Hand drückte. Dessen knappes »Danke, Joe« signalisierte ihm deutlich, dass er nicht länger erwünscht war. Der Kollege verschwand wieder.
Auch wenn sie nur durch Zufall an Sergeant Curtis geraten war, war sie froh, dass sie zu ihm gekommen war. Offenbar besaà er Einfluss und hatte keine Scheu, ihn auch einzusetzen.
Er kehrte auf seinen Platz zurück, legte das Band in den Rekorder ein und bemerkte ironisch: »Wie ich sehe, hat sich bereits herumgesprochen, wer mich besucht.«
Vielleicht, dachte Paris. Oder der Detective hatte einfach nur gerätselt, warum sie ihre Sonnenbrille nicht abgesetzt hatte. SchlieÃlich war es hier nicht besonders hell. Im Gegenteil, es gab in diesem Büro nicht mal ein Fenster.
Wahrscheinlich nahmen Curtis und sein Kollege an, dass sie die Sonnenbrille trug, um in der Ãffentlichkeit nicht aufzufallen und um die mysteriöse Aura zu unterstreichen, die sie als Medienpersönlichkeit umgab, kurz gesagt, dass sie mit ihren dunklen
Gläsern andere ausschlieÃen wollte. Bestimmt wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen, dass sie die Brille trug, um sich selbst einzuschlieÃen.
»Dann wollen wir mal hören, was Mr⦠wie heiÃt er noch? Valentino?⦠zu sagen hat.« Curtis drückte auf PLAY. Sie sprechen mit Paris. Hallo, Paris. Ich binâs, Valentino.
Als das Band zu Ende war, zupfte Curtis nachdenklich an seiner Unterlippe und fragte dann: »Dürfte ich es noch einmal abspielen?«
Ohne ihre Einwilligung abzuwarten, spulte er das Band zurück und lieà es ein zweites Mal laufen. Beim Zuhören runzelte er konzentriert die Stirn und drehte gedankenversunken den Abschlussring der University of Texas an seinem Stummelfinger.
Nachdem das Band das zweite Mal durchgelaufen war, fragte sie: »Was halten Sie davon, Sergeant? Rege ich mich unnötig über einen dummen Streich auf?«
Er reagierte mit einer Gegenfrage: »Haben Sie
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