Rage Zorn
stirbt?«
Die Worte taten weh, und genau das hatte sie beabsichtigt. Sie
hatte das nur gesagt, um ihn zu verletzen und zu provozieren, aber er wollte verdammt sein, wenn er sich ausgerechnet jetzt verletzen oder provozieren lieÃ. Er kämpfte seinen Ãrger nieder und sagte mit ruhiger Stimme: »Ich habe auf eine Gelegenheit gewartet, dir so nahe zu sein.«
»Und was hast du geglaubt, dass dann passiert? Hast du erwartet, ich würde in deine Arme sinken? Alles vergessen, was passiert ist, und â«
Als sie mitten im Satz verstummte, zog er forschend die Braue hoch. »Und was, Paris? Mich lieben? Wolltest du das vielleicht sagen? Hast du davor so schreckliche Angst? Dass wir uns damals tatsächlich geliebt haben und uns immer noch lieben könnten?«
Sie hatte ihm keine Antwort gegeben. Stattdessen war sie zur Haustür marschiert und hatte sie aufgerissen.
Solange vor ihrem Haus zwei Wachhunde hockten, blieb ihm nichts anderes übrig, als zu gehen.
Inzwischen war das Wasser in seiner Dusche kalt geworden, aber sein Körper fühlte sich immer noch fiebrig an, so sehr verzehrte er sich danach zu erfahren, was sie â wenn er sie hätte zwingen können â auf seine Frage geantwortet hätte.
16
Janey hatte ihre Rachepläne aufgegeben und konzentrierte sich nur noch aufs Ãberleben.
Ihre anfänglichen Fluchtversuche kamen ihr inzwischen so unwirklich vor wie die Erinnerung an eine lang zurückliegende Kindergeburtstagsfeier. Sie hatte Fotos von diesen Partys gesehen, aber sie fühlte keine Verbindung zu dem kleinen Mädchen mit der Silberpapierkrone, das die Kerzen auf der Torte vom Konditor auspustete. Genauso erschien ihr die Erinnerung an ihre Versuche, ihrem Peiniger zu entrinnen oder seine Bestrafung
zu planen, wie der vage Rückblick eines Fremden. Derartig beherzte Strategien lagen inzwischen auÃerhalb ihrer Vorstellungskraft.
Sie war so schwach, dass sie sich nicht hätte bewegen können, selbst wenn ihre Arme und Beine nicht festgebunden gewesen wären. Bei seinen letzten beiden Besuchen hatte er ihr nichts zu essen und zu trinken gegeben. Den Hunger hätte sie noch ertragen, aber der Durst war so schlimm, dass ihre Kehle ganz wund war. Sie hatte ihn mit Blicken angefleht, aber ihr lautloses Flehen war nicht erhört worden.
Er war aufgekratzt und gesprächig, sogar blasiert gewesen. Er legte den Kopf schief und betrachtete sie mit neu erwachtem Interesse. »Ich frage mich, ob dich jemand vermisst, Janey. Du hast so viele Menschen tyrannisiert, ehrlich. Vor allem Männer. Dein ganz spezielles Talent oder besser gesagt dein Hobby war es doch, alle Männer scharf zu machen und sie dann bloÃzustellen, indem du sie in aller Ãffentlichkeit abblitzen lässt.
Ich habe dich lange observiert, bevor du in dieser ersten Nacht zu mir kamst. Das weiÃt du nicht? Aber es ist so. Deinen Usernamen zu knacken war kein Problem: Pussinboots . Stimmtâs? Die gestiefelte Katze. Sehr clever. Vor allem, wo du so gern Westernstiefel trägst. Die roten sind deine Lieblingsstiefel, nicht wahr? Einmal hast du sie sogar hier getragen. Warte! Lauf nicht weg.«
Er kramte im Zimmer herum, bis er das gesuchte Fotoalbum ausgegraben hatte. »Ja, da bist du in deinen Stiefeln. Nur in deinen Stiefeln, um genau zu sein«, ergänzte er mit einem ironischen Feixen.
Als er ihr das Foto zeigte, drehte sie den Kopf zur Seite und kniff die Augen zu. Was ihn wütend machte. »Ganz im Ernst, glaubst du, dass es auch nur einen Menschen gibt, der dir wirklich nachtrauert, wenn du nicht mehr da bist?«
Er hatte eine Reisetasche aus einem Schrank gezogen und sie gepackt, als wollte er länger wegbleiben. Kurz danach war er gegangen. Sie war erleichtert, dass er wieder weg war, aber gleichzeitig hatte sie Todesangst, dass er nicht zurückkommen könnte.
Trotz des Klebebandes über ihrem Mund weinte sie bitterlich. Aber vielleicht hatte das Weinen auch nur in ihren Ohren so laut geklungen. Als sie sich verschluckte, geriet sie in Panik und fragte sich entsetzt, ob ein Mensch wohl an seinen eigenen Tränen ertrinken konnte.
Reià dich zusammen, Janey!
Sie konnte es schaffen. Sie konnte ihn überleben. Sie konnte durchhalten, bis Rettung kam, und die würde bald kommen. Ihre Eltern würden Austin auf den Kopf stellen, um sie zu finden. Ihr Daddy war reich. Er würde Privatdetektive anheuern, das FBI
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