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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Vielleicht liegt er irgendwo auf den Muschelbänken und du musst gar nicht tauchen.«
    Der Sheriff fischte eine Zigarette aus seiner Hemdtasche und zündete sie an. »Hunter, dieser Bastard. Er hat mir nur gesagt, dass das Geländer defekt ist und jemand beinahe gefallen wäre.« Er zog an seiner Zigarette, blies Rauch in die Luft und starrte Greg eine Weile nachdenklich an. »Sollte ich als Sheriff und als sein Stellvertreter nicht wissen, was wirklich passiert ist?«
    »Nun weißt du es ja.« Greg seufzte. »Ich bin sicher, Hunter wird noch mit dir sprechen. Er wollte sich wohl selbst erst einmal ein Bild von der Unfallstelle machen. Außerdem – bald wirst du der Chief sein.«
    Lighthouse brütete noch einen Augenblick vor sich hin. »Wie alt ist sie denn?«, fragte er unvermutet und musterte Greg eindringlich.
    »Was?«
    »Na, die Frau. Wie alt sie ist?«
    »Ich weiß nicht, Bill«, sagte Greg mit einem Anflug von Ungeduld. »Was ist denn nun mit dem Schlüssel?«
    »Du weißt es nicht?«
    »Nein, ich hab sie nicht gefragt. Vielleicht Ende zwanzig.«
    »Ist sie schön?« Bill blies Greg eine Tabakwolke ins Gesicht.
    Greg wich zurück und hob die Hände. »Billy, die Frau sitzt zu Hause in meinem alten Bademantel vor dem Kamin und wartet darauf, dass ich ihr etwas zum Anziehen bringe. Ich werde sie mir genauer ansehen, wenn ich wieder da bin, okay?«
    Bill schüttelte den Kopf. »In deinem Bademantel? Hey, hey. Und du willst mir weismachen, dass du sie nicht angesehen hast?«
    Greg winkte ab.
    Doch der Sheriff ließ nicht locker. »Muss ja eine tolle Frau sein, wenn du so ein Geheimnis um sie machst. Was ist eigentlich mit Annie? Hast du sie in letzter Zeit mal gesprochen? Sie sieht immer so verdammt traurig aus, wenn man ihr begegnet.«
    Bei der Erwähnung von Annies Namen bekam Greg augenblicklich ein schlechtes Gewissen. Am liebsten hätte er Bill gesagt, dass ihn das nichts anging, aber das stimmte nicht ganz, also verkniff er sich die Bemerkung. »Fang nicht wieder davon an, Bill, okay?«
    »Wenn du mir versprichst, dass du Annie einen Antrag machst, suche ich nach dem Schlüssel.«
    Greg verdreht die Augen. »Nicht ich bitte dich, den Schlüssel zu suchen, dein Chef hat es angeordnet.«
    »Ja, klar«, brummte der Sheriff und machte ein verdrießliches Gesicht.
    »Hey Bill, glaub mir, ich habe nichts mit dieser Frau im Sinn«, sagte Greg. »Ich hab sie aus dem Wasser gefischt, kümmere mich um ihre Sachen und ihren Wagen und dann kann sie sich ein Zimmer im Motel nehmen. So einfach ist das.«
    Bill sah noch immer skeptisch aus.
    »Sie ist Deutsche, okay?« Greg funkelte den Sheriff an. Er merkte selbst, dass seine Stimme so klang, als würde er von einer ansteckenden Krankheit sprechen.
    Lighthouse hatte den Holzschnitzer Jim Kachook gut gekannt. Obwohl er im Sommer vor fünf Jahren noch auf der Polizeischule von Seattle gewesen war, wusste er – wie jeder Makah – von der Geschichte, die damals die Gemüter von Neah Bay erregt hatte.
    Die Indianerliebe der Deutschen war eine lange, ungebrochene Tradition und das Volk der Makah hatte die wissbegierigen Germanen auf der Suche nach spirituellem Heil lange Zeit geduldig ertragen. Doch seit eine deutsche Frau den vielversprechendsten jungen Holzschnitzer des Stammes mit über den Ozean genommen hatte und er nicht zurückgekommen war, waren die Makah nicht mehr gut zu sprechen auf Frauen aus Deutschland.
    Für das kleine Volk der Makah war Jim Kachooks Verschwinden ein kollektiver Verlust, der eine kollektive Abneigung nach sich gezogen hatte.
    Die Miene des Sheriffs verfinsterte sich zusehends. »Na, das kannst du ihr aber nicht zum Vorwurf machen«, sagte er. »Sieht ja fast so aus, als würdest du es bereuen, sie gerettet zu haben.« Er untermalte seine Worte mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Ich werde jetzt versuchen, den Schlüssel zu finden, damit die Frau von hier verschwinden kann, bevor es Ärger gibt. Du hältst die Stellung und schickst jeden zurück, der ans Kap will. Es sei denn, es sind Männer mit Sägen und Bauholz im Gepäck.« Der Sheriff warf seine Zigarette auf den Boden und zertrat sie.
    »Der Schlüssel hat einen roten Plastikanhänger«, sagte Greg, froh darüber, dass der Sheriff sich endlich in Bewegung setzte.
    Bill verschwand zwischen den Sträuchern, als Ortsansässiger kannte er den versteckten Pfad, der hinunter ans Wasser führte.
    Greg lehnte sich erleichtert gegen den Stamm der Zeder. Der junge Sheriff hatte mit seiner

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