Rain Song
Hartnäckigkeit ins Schwarze getroffen und das wurmte ihn.
Bevor Greg über die Herkunft der Fremden Bescheid gewusst hatte, hatte er sie anziehend und sympathisch gefunden. Sie war nicht sonderlich hübsch, schon allein der Sommersprossen wegen, doch das ungewöhnliche Farbenspiel ihrer Augen hatte ihn fasziniert. Dieses unbeschreibliche Grün der Iris, das sich in ein dunkles Violett verwandeln konnte. Nur ein Geistwesen konnte solche Augen haben.
Greg dachte über das nach, was er getan hatte. Hanna aus dem Meer zu retten, war ein natürlicher Reflex gewesen. Sie in sein Haus zu bringen, ein Akt der Nächstenliebe. Dass er sich auch noch um ihren verloren gegangenen Autoschlüssel kümmerte und ihren Wagen holte, war mehr, als jemand verlangen konnte.
Greg Ahousat hatte nichts gegen deutsche Frauen.
Solange sie ihm nicht zu nahe kamen.
Kurz nachdem drei Männer mit Werkzeugtaschen an Greg vorbeigekommen waren, die schlecht gelaunt zwei Meter lange Rundhölzer unter den Armen schleppten, tauchte auch Bill aus dem Gebüsch wieder auf. Seine Haare waren trocken, also hatte er nicht tauchen müssen. Er trug das Uniformhemd unter dem Arm und sein Gesicht war gerötet vom schnellen und steilen Aufstieg.
Triumphierend hielt Bill den Wagenschlüssel in die Höhe. »Ich musste eine Weile suchen, aber ich habe ihn gefunden. Er lag in einer Spalte auf einer Muschelbank, sonst hätten die Wellen ihn ins Meer gespült. Ich musste zwar ins Wasser steigen, aber das Tauchen ist mir erspart geblieben.«
Greg streckte die Hand danach aus. »Danke, Bill. Ich bin dir was schuldig.«
Die Finger des Sheriffs schlossen sich fest um den Schlüssel. »Ich will keinen Ärger, Greg, das ist alles.«
»Nun gib schon her.« Greg seufzte. »Sie wartet.«
Bill gab Greg den Autoschlüssel. »Ruf mich an, wenn etwas nicht stimmt, okay?«
»Komm doch selbst vorbei, dann kannst du sichergehen, dass es ihr gut geht. Bei der Gelegenheit könntest du mir gleich den Truck zurückbringen.«
Lighthouse machte große Augen, als Greg ihm seinen eigenen Autoschlüssel in die Hand drückte.
»Ich kann nicht mit zwei Autos gleichzeitig fahren – oder?«
»Ja, schon klar. Dann bis später.«
Greg hob die Hand zum Gruß und humpelte hinauf zum Parkplatz, wo er in Hannas Leihwagen stieg. Der Motor lief schon, als ihm auf dem Beifahrersitz ihre Papiere ins Auge fielen, die sie unter ihrem Lederrucksack notdürftig versteckt hatte. Ihr Leichtsinn ärgerte ihn. Er nahm die Papiere und begann, darin zu blättern.
Den Leihwagen hatte Hanna für drei Wochen gemietet. Greg schlug ihren Pass auf, dabei fiel ihm das Foto eines kleinen, schwarzhaarigen Mädchens in die Hände. Hastig legte er es wieder zurück. Der Blick aus den großen dunklen Augen des Mädchens war bis auf den Grund seiner Seele gedrungen und brachte ihn für einen Augenblick vollkommen aus dem Gleichgewicht. Gregs Hände zitterten, Ahnungen befielen ihn. Er fühlte sich wie ein Eindringling, aber er konnte nicht aufhören, in Hannas Sachen zu stöbern.
Auf dem Passfoto trug sie das Haar kürzer als jetzt, was sie jünger erscheinen ließ. Aber es war nicht nur das. Dieser Ausdruck in ihrem Gesicht, der kühne Blick voller Erwartungen. Auf diesem Foto war sie um einige Erfahrungen ärmer.
Hanna Schill hieß sie und hatte eine kleine Tochter.
Ein Wagen kam den Fahrweg herauf und hielt auf dem Parkplatz. Greg legte die Papiere auf den Sitz zurück und bediente die Automatik. Nachdenklich geworden, fuhr er zu seinem Haus zurück.
3. Kapitel
Hanna war im Sessel vor dem Kamin eingeschlafen und das Feuer glimmte nur noch spärlich. Greg blieb einen Moment vor dem Sessel stehen und betrachtete ihr blasses, ovales Gesicht mit den weit auseinanderstehenden Augen. Ihre geraden Augenbrauen und die dichten Wimpern waren dunkler als ihr Haar, fast tiefbraun. Die Sommersprossen verteilten sich über das ganze Gesicht, sogar auf den bleichen Augenlidern.
»Ist sie schön?«, hatte Bill Lighthouse ihn gefragt. Er war nicht sicher.
Greg räusperte sich und sie schreckte hoch.
»Tut mir leid«, sie rieb sich das Gesicht, »ich hab gar nicht gemerkt, dass ich eingenickt bin.« Verlegen raffte sie den Bademantel über ihren Beinen zusammen. »Jetzt ist das Feuer ausgegangen.«
»Das macht nichts«, sagte er, »Ihre Haare sind ja jetzt trocken.«
Mit einer schüchternen Geste griff sie sich ins Haar. »Sie waren lange weg«, bemerkte sie nach einem Blick auf die Uhr über dem Kamin. »Haben Sie
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