Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
Vom Netzwerk:
ausgeliefert.
    In Gregs Stimme klangen die geschliffenen Steine des Meeres mit, als er sagte: »Weißt du, dass deine Augen manchmal ihre Farbe ändern?«
    Unwillkürlich schloss Hanna die Augen, um sich vor seiner Nähe zu wappnen. Will ich das wirklich?, fragte sie sich. Soll das alles noch einmal von vorne beginnen?
    Plötzlich hörte sie ein Geräusch und riss die Augen auf. Schritte auf der Veranda. Greg richtete sich kerzengerade auf und lauschte einen Moment. Hanna sah, wie er unter seiner dunklen Haut blass wurde. Er schien zu wissen, wer draußen stand, als er zur Tür ging, um aufzuschließen.

10. Kapitel
    »Guten Abend, Vater«, sagte Greg.
    »Seit wann schließt du ab?«, hörte Hanna die tiefe Stimme von Matthew Ahousat. Der Meisterschnitzer war vorzeitig von seiner Reise zurückgekehrt.
    Sie stand auf und ging in die Diele. »Guten Abend, Mr Ahousat«, sagte sie und gab sich Mühe, gelassen zu klingen. »Es freut mich, Sie wiederzusehen.«
    Der Holzschnitzer war sehr gealtert, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Haare und Schnurrbart, vor fünf Jahren noch kohlrabenschwarz, wurden jetzt von grauen Strähnen durchzogen. Die dunkle Haut spannte immer noch glatt über seinen kräftigen Wangenknochen, aber um den Mund hatte sich ein bitterer Zug eingegraben, den sie damals nicht wahrgenommen hatte.
    Ob er sie wohl wiedererkannte – nach all der Zeit?
    Matthew Ahousat rührte keinen Muskel, während er Hanna in Augenschein nahm. Seine hart glänzenden Augen wirkten beängstigend. Die Verachtung in seinem Gesicht war nicht zu übersehen.
    Er wusste genau, wer sie war.
    Schließlich kam Bewegung in Matthew Ahousat. »Suchen Sie nach einem neuen Holzschnitzer, Miss Schill? Ist Jim Ihnen davongelaufen? Sind Sie zurückgekommen, um herauszufinden, wie Makah-Männer funktionieren?« Matthew wich Hannas Blick aus und ging an ihr vorbei in die Küche. »Lassen Sie die Finger von meinem Sohn«, rief er, »oder Sie bekommen es mit mir zu tun.«
    Hanna schnappte nach Luft. Sie wollte etwas erwidern, wollte sich verteidigen, aber ihr fehlten die Worte. Hilfesuchend sah sie Greg an, doch der schien ebenso perplex.
    Was wohl jetzt in seinem Kopf vor sich ging?
    Sie war wütend auf den alten Ahousat und traurig um den verlorenen Augenblick mit Greg. Vielleicht ist es besser so, dachte sie und ging die Stufen hinab in den Wohnraum, um ihren Rucksack zu holen. Sie hörte, dass Greg seinem Vater in die Küche folgte.
    »Was ist bloß in dich gefahren, Vater, dass du so mit einer Frau redest, die mein Gast ist?«
    »Sie hätte dieses Haus nie betreten dürfen.« Gregs Vater spuckte die Worte förmlich aus.
    »Du kennst Hanna doch überhaupt nicht.«
    Matthew schnaubte. »Seit wann ist sie hier, in Neah Bay?«
    »Seit drei Tagen.«
    »Ich nehme an, du hast die Zeit genutzt«, sagte der alte Ahousat verächtlich. »Diese Frau ist schuld daran, dass Jim nicht mehr bei uns ist. Und ich werde nicht zulassen, dass sie mir auch noch meinen anderen Sohn wegnimmt.«
    Hanna hatte genug gehört. Hastig holte sie ihren Rucksack und ging hinauf in die Diele. Ihr Blick fiel durch die offene Tür in die Küche. Der alte Mann stand am Fenster. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und es gelang ihm nicht, seine Erregung zu verbergen. Sein ganzer Körper zitterte vor offener Feindseligkeit.
    »Ich bestimme selbst über mein Leben«, sagte Greg.
    Matthew stieß ein verzweifeltes Lachen aus. »Sie hat dich doch schon verhext.« Seine Stimme bebte.
    Hanna zuckte zusammen. Blindlings griff sie nach ihrer Jacke und wollte sich unbemerkt nach draußen schleichen, da hörte sie Schritte hinter sich und fuhr herum.
    »Willst du zum Strandhaus laufen?«, fragte Greg.
    »Es erscheint mir weniger gefährlich, als hierzubleiben.«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass du so schnell aufgibst«, sagte er.
    Mit einem Seufzer sagte sie: »Ich gebe nicht auf, Greg. Ich bin nur müde und habe keine Lust, mich auf einen ungleichen Kampf mit einem verbitterten alten Mann einzulassen. Es ist sein Haus und ganz offensichtlich hasst er mich wie die Pest.«
    »Es ist auch mein Haus, Hanna. Und ich lade ein, wen ich will.«
    »Das scheint er aber anders zu sehen.« Sie drehte sich um und verließ das Haus. Wenig später hatte Greg sie mit seinem Truck eingeholt und öffnete die Beifahrertür. Gitarrenklänge kamen aus der Fahrerkabine und Robert Plant von Led Zeppelin sang » These are the seasons of emotions and like the winds they rise and fall

Weitere Kostenlose Bücher