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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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worden war, hatte er Mühe gehabt, sich an seine lockere und offene Art zu gewöhnen. Die neuen Methoden, die sie dem Jungen in Seattle beigebracht hatten, betrachtete Hunter mit derselben Skepsis, wie Bills Angewohnheit, sich über Traditionen hinwegzusetzen.
    Aber im Laufe des vergangenen Jahres hatten beide Männer voneinander gelernt. Bill erwies sich als cleverer Computerspezialist. Er war dabei, sämtliche Akten auf dem Revier durchzusehen und in den Computer einzugeben, was, wie Oren zugeben musste, eine enorme Arbeitserleichterung war. Außerdem war dem Älteren klar geworden, dass sein Stellvertreter sich nicht scheute, unangenehme Aufgaben zu übernehmen.
    Bill war ein guter Polizist. Klug und zuverlässig. Er hatte diesen raschen, genau registrierenden Blick. Und er ließ sich schon mal davon überzeugen, jemanden nicht gleich an die Washington State Patrol weiterzumelden, nur weil er im Supermarkt eine Spule Angelsehne oder einen Apfel geklaut hatte. Eine von Hunter persönlich auf den Übeltäter zugeschnittene Strafe hatte meist mehr Wirkung als eine offizielle Verurteilung. Kein junger Makah konnte es gebrauchen, sein Erwachsenenleben in der weißen Welt mit einem Vorstrafenregister zu beginnen.
    Zudem hatte Bill schnell begriffen, dass Zurückhaltung und Umwege einem manchmal Tür und Tor öffneten – vor allem bei den älteren Menschen im Reservat. Er hatte sogar angefangen, seine Makah-Sprachkenntnisse aufzufrischen. Oren hatte begonnen, den jungen Sheriff als Freund zu betrachten.
    Doch nun war Bill dahintergekommen, dass in Neah Bay schon seit geraumer Zeit etwas nicht stimmte und sein Chef nichts dagegen unternommen hatte. Nicht, dass Hunter versucht hätte, irgendetwas zu vertuschen, dazu war er viel zu gewissenhaft. Es kam nur darauf an, aus welchem Blickwinkel man die Dinge betrachtete. Und ob man in der Lage war, Zusammenhänge zu knüpfen.
    Oren Hunter seufzte. Er wusste, dass die Sache mit dem Geländer kein Zufall sein konnte. Wohl oder übel würde er mit Bill Lighthouse ausführlicher über das Ganze reden und ihm seine Gedanken dazu darlegen müssen.
    Hunter machte seine letzten Eintragungen, schloss das Büro ab und begab sich dann nach Hause zu seiner Frau, die mit dem Abendessen auf ihn wartete.
    Als Hanna auf den Hof der Werkstatt gelaufen kam, hatte Greg sein Werkzeug schon zusammengepackt und eingeschlossen. Hanna kam ihm seltsam abwesend vor, aber vielleicht hatte der Besuch des Museums sie wieder in diese merkwürdige Stimmung versetzt. Er wollte sie nicht danach fragen, weil er keine Lust auf einen weiteren Disput über das Für und Wider von Völkerkundemuseen hatte.
    Auf dem Weg durch den Ort hielt er kurz vor einem Haus, hinter dessen Bretterzaun ein großer Räucherofen stand.
    »Bin gleich wieder da«, sagte er zu Hanna. Er kaufte einen großen Heilbutt, der, wie ihm versichert wurde, noch vor ein paar Stunden im Meer geschwommen war.
    Wieder zurück im Pick-up drückte er Hanna den Beutel mit dem Fisch in die Hand. »Unser Abendessen«, erklärte er lächelnd.
    Statt zum Strandhaus fuhren sie zum Sooes Beach, denn Greg zog es vor, in seiner gut ausgestatteten Küche zu kochen. Er bat Hanna, sich um den Salat zu kümmern, damit er schnell duschen konnte. Es gab wilden Reis und gebackenes Heilbuttfilet, dazu einen kalifornischen Weißwein.
    »Von wem hast du gelernt, so gut zu kochen?«, fragte Hanna.
    Er lächelte. »Als Student habe ich eine Zeit lang in der Küche eines ziemlich noblen Restaurants ausgeholfen. Da lernt man so einiges.«
    »Der Fisch schmeckt köstlich.«
    Sie aßen und tranken Wein und Greg dachte, dass er sich sehr schnell an Hannas Anwesenheit gewöhnt hatte. Sein Blick streifte ihr Gesicht. Sogar an ihre Sommersprossen hatte er sich gewöhnt. Als er gerade ansetzte, sie zu fragen, wie sie ihren Nachmittag verbracht hatte, hob sie den Kopf und fragte: »Greg, wann fahren wir nach Vancouver Island?«
    Greg legte das Besteck aus den Händen und rieb sich das Gesicht. An Hannas sehr direkte Art hatte er sich noch nicht gewöhnt.
    »Nach dem Potlatch, okay?«, vertröstete er sie.
    »Ist es wegen Annie?«, fragte sie.
    Greg hob den Kopf und musterte Hanna. Sie hatte ihre rotgoldenen Haare zu einem Knoten aufgesteckt und strich sich eine schimmernde Haarsträhne hinters Ohr, die ihr immer wieder ins Gesicht fiel.
    »Ich weiß nicht, wie lange wir drüben in Kanada brauchen werden, und es ist wichtig, dass ich zu diesem Potlatch gehe, wenn ich eingeladen

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