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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ihres Vaters Freund. Sie waren zusammen aufgewachsen, hatten zusammen das Jagen und das Astklettern gelernt. Für den größten Teil ihres Lebens waren sie Gefährten gewesen. Thymara hatte die beiden beim Jagen beobachtet – wenn sie einer Beute nachstellten, bewegten sie sich wie zwei Finger derselben Hand. Sie hatte erlebt, wie die beiden Freunde zusammen lachten und rauchten. Als Rogon sich einmal am Handgelenk verletzt hatte und ein halbes Jahr lang nicht auf die Jagd hatte gehen können, hatte ihr Vater für beide Familien gesorgt. Thymara hatte ihm dabei geholfen, aber sie war nie mitgekommen, wenn Jerup seinem Freund die Beute brachte. Es hätte wenig Sinn gehabt, Rogon unter die Nase zu reiben, dass ihn jemand unterstützte, der in seinen Augen gar nicht hätte geboren werden dürfen.
    Es war diese Freundschaft, wegen der Rogon so schnell heruntergeklettert war, um nachzusehen, ob Jerup in Sicherheit war. Daher war er wütend darüber geworden, dass Jerup sein Leben riskiert hatte. Und letztlich war auch sein Wunsch, Thymara möge nicht existieren, gut gemeint. Weil er ihres Vaters Freund war, verabscheute er mit ansehen zu müssen, was Thymaras Existenz aus dem Leben ihres Vaters gemacht hatte. In Rogons Augen war sie nur eine Last, ein Mund, der gestopft werden musste, und es bestand keine Hoffnung, dass sie ihrem Vater jemals eine Hilfe sein würde.
    »Ich bereue meine Entscheidung nicht, Rogon. Und vergiss nicht: Es war meine Entscheidung und nicht Thymaras. Wenn du jemandem die Schuld geben willst, dann nicht ihr, sondern mir. Strafe mich mit Missachtung und Taubheit, aber nicht sie! Ich war es, ich bin der Hebamme gefolgt. Ich war derjenige, der hinuntergestiegen ist, um sein Kind wieder aufzusammeln und zurückzubringen. Denn vom Augenblick ihrer Geburt an, als ich sie gesehen habe, wusste ich, dass sie eine Chance verdient hat. Ihre Zehennägel haben mich nicht gekümmert und auch nicht die Schuppen, die entlang ihrer Wirbelsäule laufen. Mich hat nicht interessiert, wie lang ihre Füße waren. Ich habe nur gewusst, dass sie eine Chance verdient hatte. Und ich habe recht damit gehabt, oder nicht? Schau sie dir an. Seit sie alt genug ist, um mir ins Blätterdach und über die Astwege zu folgen, zeigt sie, was sie wert ist. Sie trägt mehr nach Hause, als sie isst, Rogon. Ist es nicht das, was unter Jägern und Sammlern den Wert eines Menschen ausmacht? Was behagt dir an ihrem Anblick denn nicht? Dass ich ein paar dumme Regeln gebrochen und mein Kind nicht ausgesetzt habe, damit es von den Tieren gefressen wird? Oder siehst du sie an und merkst plötzlich, dass diese Regeln falsch sind? Fragst du dich etwa, wie viele andere Säuglinge vielleicht zu Regenwildleuten hätten heranwachsen können?«
    »Über diese Dinge rede ich nicht«, sagte Rogon abrupt. Er stand so unvermittelt auf, dass er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Etwas von dem, was ihr Vater gesagt hatte, hatte bei ihm einen wunden Punkt getroffen. Rogon war einer der besten Astkletterer, und nichts konnte ihn erschüttern. Mit einem Mal überlief Thymara ein eisiger Schauer. Rogon hatte selbst Kinder, zwei Jungen. Einer war siebzehn, der andere zwölf. Thymara fragte sich, ob Rogons Frau zwischen den beiden Kindern nicht vielleicht schwanger gewesen war. Ob sie eine Fehlgeburt gehabt hatte. Oder ob ihre Hebamme ein oder zwei schreiende Bündel aus seinem Haus und in die Nacht der Regenwildnis getragen hatte.
    Sie richtete ihren Blick wieder auf das Flussufer, und während sie hinunterstarrte, fragte sie sich, ob ihr Vater mit seinen harschen Worten eben eine lebenslange Freundschaft beendet hatte. Denke gar nicht erst darüber nach, ermahnte sie sich und blickte versonnen auf die Drachen. Inzwischen war ihre Zahl noch weiter geschrumpft, und von den Hüllen, aus denen kein Drache geschlüpft war, war fast nichts mehr übrig. Dieser Umstand würde einige Leute be stimmt bitter enttäuschen. Denn Hexenholz war ein äußerst wertvolles Material, und viele hatten darauf spekuliert, übrig gebliebene Kokons zu verscherbeln, nachdem die Drachen geschlüpft waren. Einigen der hier versammelten Zuschauer war es weniger um das Schauspiel der schlüpfenden Drachen gegangen als um den Profit, den sie sich erhofften. Thymara versuchte, die übrigen Tiere zu zählen. Zu Beginn waren es neunundsiebzig Kokons gewesen. Aus wie vielen waren wohl lebensfähige Drachen geschlüpft? Die Jungtiere liefen wild durcheinander, und als Tintaglia erneut

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