Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
versiegelt, damit sie im ätzenden Flusswasser nicht eiterte. Dabei erklärte er: »Von nun an musst du deinen Drachen jeden Abend überprüfen. Die Schlangen haben etwas im Maul, was das Fleisch betäubt. Deswegen spürst du gar nicht, wenn sich eine in dich hineinbohrt. Einmal hat sich eine in mein Bein verbissen, und ich habe es erst gemerkt, als ich aus dem Wasser kam.«
Während Alise und Sylve schrubbten, gab der Kupferdrache leise Schmerzenslaute von sich. Thymara kauerte sich neben der Drachin nieder und sah ihr ins Gesicht. Doch die Augen blieben geschlossen, sodass sie sich fragte, ob Relpda überhaupt bei Bewusstsein war. Langsam erhob sich Thymara wieder. »Nun, immerhin wissen wir jetzt, was mit ihr nicht gestimmt hat. Wenn wir die Schlangen herausbekommen, die Wunden reinigen und gegen das Flusswasser abdichten, hat sie vielleicht eine Chance durchzukommen.«
»Wir haben genug Schlamm weggeschrubbt. Lasst sie uns rausholen«, beschloss Sylve.
Thymara stand im Kreis der Zuschauer und betrachtete das Ganze mit Faszination und Ekel. Als Leftrin mit der Ölkanne und dem Pinsel dazutrat, wandte sie sich ab. Seit ihr Sintaras Blut ins Gesicht gespritzt war, konnte sie nichts anderes mehr riechen oder schmecken. Sie hatte keine Lust, heute noch mehr Drachenblut zu sehen. Eben entdeckte sie Sintara am Rand der Ansammlung und schob sich durch die Menge zu ihr hindurch. »Ich will mir das nicht mit ansehen«, teilte sie der Drachin mit leiser Stimme mit. »Es war schon schlimm genug zu sehen, wie man die eine Schlange aus dir herausgezogen hat, und du hast sie nicht einmal lange gehabt. Ich kann mir das nicht mit ansehen.«
Sintara wandte den Kopf, um ihre Hüterin zu betrachten. Die kupferfarbenen Augen kreisten, und plötzlich kamen sie Thymara fast flüssig vor, wie zwei wirbelnde Seen aus geschmolzenem Kupfer, die sich vom funkelnden Lapislazuliblau der Schuppen abhoben. Drachenzauber, versuchte sie sich zu ermahnen. Doch es gelang ihr nicht. Sie ließ sich in den Blick hineinziehen und allein durch die Aufmerksamkeit der Drachin gewann sie an Bedeutung. Nur ein letzter zynischer Gedankenfunke fragte schnippisch, ob der Blick des Drachen sie wirklich zu einem wichtigen Menschen machte. Doch sie kümmerte sich nicht darum.
»Du solltest jagen gehen«, schlug ihr Sintara vor.
Nur ungern verließ sie die Drachin. Sich von ihrem herrlichen kupferfarbenen Blick zu lösen, war, wie wenn man sich in einer kalten stürmischen Nacht vom prasselnden Kaminfeuer trennte. Thymara klammerte sich an den Blick der Drachin und weigerte sich zu glauben, dass Sintara sie fortschickte.
»Ich habe Hunger«, sagte Sintara sanft. »Kannst du mir nicht etwas zu fressen suchen?«
»Natürlich«, gab Thymara auf der Stelle zurück, denn sie war Sintaras Willen wehrlos ausgeliefert. Die Stimme der Drachin war nur ein Hauch, der an Thymaras Ohr vorbeistreifte. »Vorhin sind Greft und Jerd in den Wald verschwunden. Vielleicht wissen sie, wo es gute Beute gibt, und du solltest ihnen folgen.«
Das traf. »Ich bin eine bessere Jägerin, als Greft es jemals sein wird«, erklärte sie ihrer Drachin. »Ich habe es nicht nötig, ihnen zu folgen.«
»Nichtsdestotrotz glaube ich, dass du es tun solltest«, beharrte Sintara, und plötzlich schien es Thymara keine schlechte Idee zu sein. Am Rand ihres Bewusstseins nagte ein Gedanke. Sollte Greft bereits eine Beute erlegt haben, könnte sie sich vielleicht einen Teil davon beschaffen, genau wie er es mit ihrem Sumpfelch gemacht hatte. Diese Frechheit hatte sie ihm noch immer nicht heimgezahlt.
»Geh schon«, drängte Sintara, und Thymara ging.
Alle Hüter hatten sich angewöhnt, ihre Ausrüstung in ihren Booten zu verstauen. Mit Rapskals Unordnung fertigzuwerden, stellte Thymara jeden Tag aufs Neue auf die Probe. Sie empfand es als ungerecht, dass sie durch den Zufall, der sie am ersten Tag zusammengebracht hatte, dazu verdammt war, das Boot mit ihm zu teilen. Alle anderen wechselten regelmäßig die Ruderpartner, aber Rapskal war an einem solchen Tausch nicht interessiert. Und selbst wenn sie ihn dazu überreden konnte, es zu probieren, war es doch sehr zweifelhaft, ob irgendein Hüter bereit war, ihn zu nehmen. Dabei war er hübsch und kannte sich mit Booten aus. Dazu war er stets guter Dinge. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, dass er einmal etwas Böses gesagt hätte. Sie schmunzelte. Dann war er eben seltsam, aber an diese Seltsamkeit konnte sie sich gewöhnen. Sie
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