Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
Händlertitel meiner Familie innehat, besitzt er noch immer die Vollmacht, derlei Verhandlungen unabhängig zu führen. Nun fürchte ich jedoch, dass dies Euch und Eure Eltern beleidigen könnte. Um ehrlich zu sein, fürchte ich noch mehr, dass es dazu führen wird, dass Ihr den Antrag, den ich Euch zu machen hoffte, nachdem Ihr die Gelegenheit gehabt hättet, mich einmal zu sehen und besser kennenzulernen – dass Ihr diesen Antrag ablehnen werdet.
Meine Reisevorbereitungen sind getroffen. Noch vor dem kommenden Monatswechsel werden wir uns endlich von Angesicht zu Angesicht begegnen. Bevor ich nicht die Gelegenheit habe, selbst für mich das Wort zu ergreifen, bitte ich Euch, das unangebrachte Angebot meiner Eltern nicht rundweg auszuschlagen. Denkt daran, dass Ihr mich jederzeit verschmähen könnt. Doch bevor Ihr solches tut, lasst mich Euch erst selbst meine Bitte vorbringen.
Erek
20
Kelsingra
U nd warum schreibt Ihr das alles auf?«
In gewisser Hinsicht hatte sich Rapskal kein bisschen verändert, dachte Alise. Er zappelte noch immer wie der ruhelose Junge, der er gewesen war und der nicht stillsitzen konnte und immer etwas zu tun brauchte. Andererseits war es schwer, das hoch gewachsene, schlanke und scharlachrote Geschöpf, zu dem er geworden war, zu betrachten und darin noch den Hüterjungen von einst zu erkennen. Dennoch war es genauso schwer, zusammenhängende Informationen aus ihm herauszubekommen, wie wenn man versuchte, mit einem Drachen zu sprechen. Oder mit einem kleinen ungeduldigen Kind.
Sie saß auf der Türschwelle eines Hauses, das sehr wahrscheinlich einmal eine Schäferhütte gewesen war. Unter ihnen reichte der sanft abfallende grüne Hügel bis zum Ufer eines eilig dahinströmenden Flusses. Alise konnte es noch immer kaum glauben, dass sie angekommen waren. An einem Abhang zu sitzen und auf abfallende grüne Wiesen und einen reißenden Fluss zu blicken, war seltsam genug. Über den Strom hinweg auf die uralten Bauwerke Kelsingras in der Ferne zu schauen, war geradezu unwirklich.
»Ein halber Tag für einen fliegenden Drachen« hatte sich als mehr als sechs Tage schleppende Reise mit dem Kahn herausgestellt. Keiner davon war einfach gewesen. Am ersten Tag war Heeby von Zeit zu Zeit erschienen, hatte eine Schleife über dem Schiff gedreht und war dann in die Richtung davongeflogen, in die sie ihr folgen sollten. Leider hatte sie dieser Weg in noch flachere Gewässer geführt. Die Drachen waren vorausgestapft und hatten sich durch stehendes Wasser und zähen Schlamm geschleppt. Furchtbar schlingernd und torkelnd war Teermann hinter ihnen hergestakst.
Am zweiten Tag der Reise hatte ein unbarmherziger Dauerregen eingesetzt. Hartnäckig prasselten die Tropfen auf das sumpfige Wasser. Als der Regen aufhörte, stieg Nebel auf und hüllte die Welt in Grau. Der Nebel blieb, bis ein neuerlicher Platzregen ihn fortspülte. Durch diese feuchte Suppe kämpften sich die Drachen und der Kahn voran. Das Leben an Bord wurde noch elender als zuvor. Die Hüter drängten sich in der Küche und den Mannschaftsquartieren zusammen, um nicht nass zu werden, doch die Feuchtigkeit drang in jeden Winkel des Schiffs ein. Was sie an Vorräten übrig hatten, mussten sie kalt essen, denn sie hatten nicht einmal genug trockenes Holz, um im Herd ein kleines Feuer zu machen. Auch wenn keine Streitereien ausbrachen, brodelte doch überall eine stille Wut. Das einzige Gesprächsthema war Kelsingra und die Frage, wo Rapskal und Heeby wohl gewesen waren, warum sie zum Schiff hinuntergekommen waren und wieso sie nicht eher zurückgekehrt waren. Sämtliche Theorien wurden immer wieder zerredet, und niemand war damit zufrieden.
»Wie lange kann das noch so weitergehen?«, hatte Alise den Kapitän gefragt, als sie auch am dritten Morgen mit Regen erwacht waren. Er hatte sie sonderbar angeschaut.
»Alise, hast du dich nie gefragt, wieso man diesen Ort die Regenwildnis nennt? So ist das Wetter hier im Winter. Es ist dieses Jahr zwar ein bisschen früh losgegangen und vielleicht bekommen wir auch noch ein paar Sonnentage, aber vielleicht auch nicht. Das Gute daran ist, dass das Wasser steigt und den Kahn wieder trägt. Aber das ist auch der Nachteil dabei.«
Sie hatte es sogleich begriffen. »Im tieferen Wasser kommt Teermann besser voran, aber es wird schwerer für die Drachen.«
Leftrin hatte grimmig genickt. »Die Drachen können nicht länger im Wasser bleiben, aber wir haben nirgends auch nur ein Sumpfufer
Weitere Kostenlose Bücher