Raine der Wagemutige
Tür gelaufen. Aber die kleine Verzögerung mussten sie teuer bezahlen.
Muira war schneller als sie.
Sie eilte durch den Raum, schwang ihre zweite Fackel durch die Luft, einen Schweif aus glühenden Funken hinter sich herziehend. Sie blieb neben dem riesigen alten Schrank stehen, der sich unter dem Gewicht halb gepackter Truhen und Schachteln durchbog und nach vorne neigte. Völlig irrsinnig geworden, täuschte sie mit ihrer Fackel, als wäre sie ein Degen, einen Angriff auf Raine und Favor an.
Raine streckte die Hand aus, um ihr das Fanal zu entwinden, erwischte aber das brennende Ende. Mit einem Schmerzenslaut riss er seine Hand zurück. Favor stürzte an ihm vorbei, doch er schlang ihr einen Arm um die Taille und zog sie zurück, gerade als Muira mit der Brandfackel nach ihr stieß und Favors Gesicht nur um wenige Zoll verfehlte. Er schob Favor hinter seinen Rücken und suchte mit den Augen den schmalen dunklen Gang hinter der Irrsinnigen ab. Favor konnte schon an ihrem Rücken die Hitze des sich ausbreitenden Infernos spüren.
„Lasst sie gehen!“ verlangte Raine heiser.
„Nein! Niemals!“ schrie Muira mit sich überschlagender Stimme. „Das nächste Mal werdet Ihr Eure Lust an ihr in der Hölle stillen, Raine Merrick!“ Ihr Gesichtsausdruck bekam etwas Durchtriebenes; ihr Blick glitt zur Seite. Sie hielt ihre Fackel blitzschnell an den vermodernden Inhalt des Schrankes und setzte ihn in Flammen.
„Nein!“ rief Raine. Doch bevor er etwas unternehmen konnte, fasste sie schon die Tür des wackeligen Möbels und zog daran. Einen Augenblick bevor der Schrank mit einem lauten Krachen zu Boden ging, zerbarst und den Weg nach draußen versperrte,, sprang sie zurück in den Flur.
Auf dem Gang konnten sie die alte Frau wie von Sinnen entlanglaufen und auf ihrem Weg alles anstecken sehen, was ihr unterkam. Und dann stolperte sie. Die Fackel stieß gegen ihre Röcke, die augenblicklich Feuer fingen. Sie schrie auf, aber nicht aus Schmerz, sondern in entsetzlichem Gelächter. Sie rannte, sich im Kreise drehend, den Flur hinab, ein grauenvolles Bild, aus Feuer gemalt.
„Gott sei ihr gnädig“, flüsterte Favor.
„Schnell!“ rief Raine.
Favor schaute hinter sich. Der versteckte Ausgang hinter dem Altar war unerreichbar. Ein Meer aus Flammen züngelte über die Wand hinter ihnen, versengte ihr Nacken und Schultern. Sie hatten nur eine Chance. Entschlossen trat sie zu dem Berg aus in Flammen stehenden Truhen und Kisten, griff nach allen noch nicht brennenden Teilen und zerrte sie von der Tür fort. Raine hatte sich schon mit fieberhafter Eile an die Arbeit gemacht, warf Truhen und Kisten hinter sich, ohne auf die Brandwunden, die er sich dabei zuzog, zu achten.
Schweigend und mit verzweifeltem Einsatz arbeiteten sie Seite an Seite. Rauch stieg in wallenden schwarzen Schwaden zur hohen Decke auf, ballte sich zu düsteren Wolken. In wenigen Minuten würde er sie völlig einschließen. Ihre Lungen brannten bereits von den giftigen Dämpfen, und ihnen tränten die Augen.
Draußen im Flur hatte sich das Feuer inzwischen weiter ausgebreitet. Die Flammen leckten an den hölzernen Bodendielen, reckten sich hungrig an den Wänden empor. Es glühte in strahlendem Orange an den morschen Türrahmen und fraß sich unaufhaltsam zur Mitte der Burg durch.
Raine packte die Überreste des umgeworfenen Schrankes und schob sie mit einem angestrengten Keuchen ein Stück von der Tür fort. Favor zwängte sich eilig durch die schmale Öffnung, die er geschaffen hatte, drehte sich um und griff nach Raines Handgelenk.
„Nein! Geh! “ schrie er und versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien. „Das ist zu eng für mich. Geh! Ich bin gleich direkt hinter dir.“
Sie ließ ihn los, aber sie ging nicht. Sie warf sich mit dem ganzen Gewicht ihres zierlichen Körpers gegen das Möbelstück und schob so fest sie konnte.
„Geh!“ schrie er.
„Nicht.. .“, sie biss die Zähne zusammen, „ohne . ..“, sie schloss die Augen und sandte ein flehentliches Gebet gen Himmel, „dich.“ Sie stemmte sich mit ihrer Schulter gegen das massive Stück.
„Verflucht sollst du sein, Favor McClairen!“ hörte sie Raine brüllen, und dann rutschte der Schrank ein paar gesegnete Zoll zur Seite. Er nutzte die enge Öffnung, gerade groß genug für seinen Körper, und stand nur einen Augenblick später neben ihr, fasste sie an der Hand und zog sie hinter sich her.
Dann rannte er mit ihr durch den brennenden Korridor, und das Knistern und
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