Rambo
der Flucht befanden. Die meisten dieser Männer hätten nicht zu sterben brauchen, da er die Gelegenheit hatte zu flüchten. Das war unentschuldbar. Aber, wie auch immer ich darüber denke, ich sympathisiere immer noch mit ihm. Was wäre, wenn ich ihn – ungewollt – entkommen ließe?«
»Das werden Sie nicht tun. Sogar wenn er hier wegkommt, wird man ihm weiter nachstellen, bis wieder jemand erschossen wird. Sie haben bereits zugegeben, daß Ihnen die gleiche Verantwortung zufällt wie mir. Wenn er also Ihr bester Mann ist, dann beweisen Sie das auch, verdammt noch mal. Legen Sie ihm jedes Hindernis in den Weg, das Sie sich ausdenken können. Wenn er dann trotzdem entkommt, haben Sie alles getan, was Sie tun konnten, und doppelten Grund, stolz auf ihn zu sein. So betrachtet, können Sie es sich gar nicht leisten, uns nicht zu helfen.«
Trautman schaute auf seine Zigarette, zog noch einmal daran und schnippte sie aus dem Wagen. »Ich weiß gar nicht, warum ich mir die angesteckt habe. Ich habe vor drei Monaten das Rauchen aufgegeben.«
»Weichen Sie meiner Frage nicht aus«, sagte Teasle. »Wollen Sie uns nun helfen oder nicht?«
Trautman sah sich die Karte an. »Es spielt wohl kaum eine Rolle, was ich sage. In ein paar Jahren wird es solche Suchaktionen gar nicht mehr geben. Wir haben jetzt Instrumente, die an der Unterseite eines Flugzeugs angebracht werden. Um jemanden zu finden, braucht man bloß über das Gelände zu fliegen, wo er sich aufhält. Der Apparat wird durch seine Körperwärme aktiviert. Zur Zeit haben wir nicht genug davon, um sie überall einzusetzen. Die meisten werden im Krieg verwendet. Aber sobald die wieder da sind, hat ein Flüchtiger keine Chance mehr. Und Männer wie ich werden dann nicht mehr gebraucht. Ein letzter Auftritt. Eigentlich schade. So sehr ich den Krieg hasse, fürchte ich doch den Tag, an dem die Menschen durch Maschinen ersetzt werden. Zumindest hat heute ein Mann mit Überlebenstalent noch eine Chance.«
»Sie weichen immer noch meiner Frage aus.«
»Ja, ich werde Ihnen helfen. Man muß ihn aufhalten, und das sollte lieber ein Mann wie ich tun, der ihn versteht und seinen Schmerz mit ihm teilt.«
5
Rambo hielt die Eule am Rücken fest, packte eine Handvoll Brustfedern und zog daran. Es gab ein dumpfes, reißendes Geräusch. Die Federn in seiner Hand fühlten sich angenehm an. Er rupfte den toten Vogel und schnitt ihm Kopf, Flügel und Klauen ab. Dann setzte er die Messerspitze am Brustkorb an und schlitzte mit der scharfen Klinge den Bauch auf bis zwischen die Beine. Er zog die Schnittflächen auseinander, griff hinein und nahm den Vogel aus. Schon beim ersten Griff entfernte er den Großteil der warmen, schlüpfrigen Innereien und kratzte dann den Rest mit seinem Messer heraus. Am liebsten hätte er die Bauchhöhle des Vogels mit dem Wasser, das hinten von der Decke tropfte, ausgespült, aber er wußte nicht, ob das Wasser nicht irgendwelche giftigen Stoffe enthielt. Das Auswaschen hätte ihm ohnehin zuviel Mühe bereitet. Er wollte schnell fertig werden, essen und sich aus dem Staub machen. Er hatte schon zuviel Kraft vergeudet. Er nahm einen langen Ast, der nicht im Feuer lag, spitzte ihn an, spießte die Eule daran auf und hielt sie übers Feuer. Die wenigen Federn und Haare, die noch an ihr klebten, flammten auf. Er dachte an Salz und Pfeffer. Die Eule war recht alt und würde wahrscheinlich ziemlich zäh sein. Das verbrannte Blut hatte einen scharfen, ätzenden Geruch, und so würde wohl auch das Fleisch schmecken. Er wünschte, daß er wenigstens Salz und Pfeffer gehabt hätte.
Soweit ist es also mit dir gekommen, du Arschloch, dachte er. Zuerst hast du in einem Schlafsack im Wald kampiert und in einem dreckigen Straßengraben Hamburger gefressen und sie mit Cola hinuntergespült, und jetzt bist du soweit, daß du in einem verlassenen Bergwerk auf einem Haufen Tannenzweige liegst, den Kadaver einer alten Eule frißt und nicht einmal Salz und Pfeffer hast. Ganz primitiv im Wald zu kampieren, war wenigstens ein gewisser Luxus gewesen, weil er es selbst so gewollt hatte. Aber jetzt würde er vielleicht gezwungen sein, lange Zeit so zu leben und mit einem absoluten Minimum auszukommen. Vielleicht würde er bald nicht einmal mehr das haben und sehnsüchtig an die Zeit zurückdenken, wo er ein paar Stunden in dieser Höhle geschlafen und sich eine zähe alte Eule gegrillt hatte. Er dachte kaum noch an Mexiko. Nur an die nächste Mahlzeit und in welchem Baum er
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