Rambo
übernachten würde. Tag für Tag. Nacht für Nacht.
Er zog die zwei Hemden hoch, die er trug, und betrachtete fasziniert die stark entzündete Schwellung an seinen schmerzenden Rippen. Wie ein Tumor, dachte er. Ein paar Stunden Schlaf würden das nicht wieder gutmachen. Wenigstens war die Benommenheit weg. Es war Zeit aufzubrechen. Er legte mehr Zweige aufs Feuer, damit der Vogel schneller gar würde. Er spürte die Wärme des Feuers auf Stirn und Nasenrücken. Oder vielleicht war es das Fieber. Er legte sich der Länge nach auf die Tannenzweige, das schweißbedeckte Gesicht dem Feuer zugekehrt. Sein Mund war ausgetrocknet, und er hätte gern etwas Wasser aus seiner Feldflasche getrunken, aber er hatte bereits zuviel getrunken und mußte sich etwas für später aufsparen. Aber als er die Lippen öffnete, waren sie mit zähem Schleim verklebt, so daß er sich schließlich doch den Mund ausspülte. Als das warme, metallisch schmeckende Wasser sich mit dem Schleim in seinem Mund vermischte, überlegte er, ob er es sich leisten könne, es wieder auszuspucken. Dann entschied er sich gegen eine solche Verschwendung und würgte das zähflüssige Zeug hinunter.
Die Stimme erschreckte ihn. Es klang, als ob jemand draußen vor dem Eingang stünde und ihn durch einen Lautsprecher anredete. Wie konnten sie wissen, wo er war? Er vergewisserte sich, daß Pistole, Messer und Feldflasche an seinem Gurt befestigt waren, ergriff sein Gewehr und den Ast mit der Eule und rannte auf den Eingang zu. Eine frische, kühle Brise wehte in den Stollen. Kurz bevor er zum Eingang kam, vergewisserte er sich, daß ihm niemand auflauerte. Er sah keinen, hörte jedoch wieder die Stimme. Sie kam aus einem Lautsprecher. Von einem Hubschrauber. Eine tiefe Männerstimme übertönte den Motorenlärm: »Gruppen zwölf bis einunddreißig. Am östlichen Hang Position einnehmen. Gruppen zweiunddreißig bis vierzig. Nach Norden ausschwärmen.« Weit unten war die Lichterkette immer noch da und wartete auf ihn.
Teasle wollte ihn unbedingt haben. Er hatte eine ganze Armee zusammengetrommelt. Aber wozu der Lautsprecher? Es gab doch genügend Funkgeräte, um die Aktion zu koordinieren. Oder wollen sie mit dem Krach meine Nerven kaputtmachen? dachte er. Oder mir Angst einjagen und nur demonstrieren, daß sie hinter mir her sind? Vielleicht ist es nur ein Trick, und sie haben im Norden und Osten überhaupt keine Truppen stationiert. Vielleicht haben sie nur genug für die Süd- und Westseite. Im Krieg hatte Rambo einmal gesehen, wie Lautsprecher auf diese Weise eingesetzt worden waren. Sie verwirrten den Feind und veranlaßten ihn umzudisponieren. Die beste Gegenmaßnahme war, nichts zu ändern, sondern weiterzumachen, als hätte man die Lautsprecher nie gehört.
Die Stimme wiederholte die Anweisungen immer wieder und wurde allmählich schwächer, als der Hubschrauber über dem Bergkamm verschwand. Rambo kümmerte sich nicht darum, was sie sagte. Was ihn betraf, konnte Teasle seine Truppen von allen Seiten in die Berge einrücken lassen. Das machte keinen Unterschied. Wo er hinging, würden sie glatt an ihm vorbeilaufen.
Er blickte nach Osten. Dort war der Himmel schon grau. Bald würde die Sonne aufgehen. Vorsichtig kletterte er über die kalten Felsen zum Eingang des Bergwerks hinunter, wo er die Eule mit den Fingern abtastete, ob sie nicht noch zu heiß war. Dann schnitt er sich eine Scheibe ab und begann zu kauen. Es schmeckte entsetzlich. Schlimmer, als er befürchtet hatte. Zäh und trocken und sauer. Er zwang sich gewaltsam zu einem zweiten Bissen, auf dem er ewig herumkaute, bevor er ihn hinunterwürgen konnte.
6
Teasle schlief die ganze Nacht nicht. Eine Stunde vor Sonnenaufgang streckte sich Trautman auf dem Fußboden aus und schloß die Augen. Teasle blieb, an die Wand gelehnt, auf der Bank sitzen und wies den Funker an, statt der Kopfhörer den Lautsprecher einzuschalten. Er hörte sich die eingehenden Meldungen an, wobei er den Blick kaum von der Karte abwandte. Bald kamen die Meldungen weniger häufig. Der Funker lehnte sich über die Tischplatte, legte den Kopf auf die Arme, und Teasle war wieder allein.
Jede Einheit befand sich dort, wo sie sein sollte. Im Geiste sah er die Polizisten und Truppen der Nationalgarde vor sich, wie sie in langen Ketten am Rande der Felder und Waldstücke ausgeschwärmt waren, ihre Gewehre luden und ihre Zigaretten ausdrückten. Sie waren in Gruppen zu je fünfzig Mann aufgeteilt, und jede Gruppe hatte ein
Weitere Kostenlose Bücher